Doch kein Moppelchen: Urzeit-Hai war überraschend schlank
Der Megalodon galt lange als gigantische Version eines Weissen Hais. Bei Wissenschaftlern mehren sich die Zweifel zu seiner Form.

Das Wichtigste in Kürze
- Der Megalodon hat weniger Ähnlichkeit zum Weissen Hai als angenommen.
- Wirbelsäulen-Vergleiche legen nahe, dass der Mega-Hai deutlich schlanker war.
- Sicherheit über das Aussehen des Megalodons kann nur ein vollständiges Skelett liefern.
Für Regisseure schauriger Hai-Filme ist es keine gute Nachricht: Der ausgestorbene Mega-Hai Megalodon war womöglich keineswegs eine vergrösserte Ausgabe des bullig wirkenden Weissen Hais, sondern ein weitaus schlankeres Geschöpf.
Das bestätigt eine weitere Studie. Von der Form her habe er eher einem Zitronenhai geähnelt, vermutet das Forschungsteam im Fachjournal «Palaeontologia Electronica». Riesig sei er mit gut 24 Metern Länge aber wahrscheinlich durchaus gewesen.
Eher Blauwal als Weisser Hai
Damit wäre der Megalodon – Fachname: Otodus megalodon – etwa sechsmal so lang wie ein Weisser Hai gewesen.
Seine Grösse entspräche damit eher der eines Blauwals. Mit einem geschätzten Gewicht von rund 94 Tonnen wäre er auch annähernd so schwer.

Der zylindrische Körper des Megalodon war den Forschenden zufolge vermutlich eher auf energieeffizientes Reisen als auf Hochgeschwindigkeitsjagden ausgelegt.
Megalodon als Gigantismus-Extrem
Mit dem massigen Raubtier, das in reisserischen Filmen zu sehen ist, hatte er demnach wohl wenig gemein.
«Beim Gigantismus geht es nicht nur darum, grösser zu werden, sondern auch darum, den richtigen Körper zu entwickeln, um in dieser Grösse zu überleben», erklärte Mitautor Phillip Sternes. «Und der Megalodon war vielleicht eines der extremsten Beispiele dafür.»
Bekannt wurde der Urzeit-Hai unter anderem durch die Science-Fiction-Filme «Meg» und «Meg 2: Die Tiefe», in denen solche Giganten aus der Tiefe kommen.
Forscher können Aussehen bisher nur schätzen
Von der Art, die vor rund 15 bis 3,6 Millionen Jahren lebte und die fast weltweit in den Meeren verbreitet war, wurden bislang keine vollständigen Skelette gefunden, sondern vor allem einzelne riesige Zähne und Wirbel.
Für die Bestimmung von Grösse und Form sind Wissenschaftler daher auf Schätzungen angewiesen.
Wirbelsäulen-Vergleich liefert neue Schlüsse
Wegen ähnlich gezackter Zähne wurde lange Zeit angenommen, dass sich Megalodon und Weisser Hai (Carcharodon carcharias) stark ähnelten. Das Team um Kenshu Shimada von der DePaul University in Chicago stützte sich nun nicht auf Zahnanalysen.

Es verglich die versteinerte, etwa elf Meter lange und fast vollständige Megalodon-Wirbelsäule mit der von 165 lebenden und ausgestorbenen Haiarten. So wollte sie das Verhältnis von Kopf, Körper und Schwanz abschätzen.
Für dieses Exemplar schätzen die Wissenschaftler eine Gesamtlänge von gut 16 Metern bei etwa 30 Tonnen Gewicht.
Ableitung der Körpergrösse
Durch weitaus grössere gefundene Wirbel gehen sie davon aus, dass mehrere Jahrzehnte alte Megalodons über 24 Meter lang sein konnten.
Auch mit den Proportionen befasste sich das Team. Weisse Haie haben einen stämmigen, für schnelle Bewegungen günstigen Körperbau mit breitem Mittelteil, der sich zum Schwanz hin stark verjüngt.
Beim Megalodon hingegen habe es sich wahrscheinlich um ein Mittelding zwischen blitzschnellem Räuber und gemütlich dahingleitendem Reisenden gehandelt.
Eher eine Art übergrosser Zitronenhai
«Er ähnelte nicht einem übergrossen Weissen Hai, sondern eher einem riesigen Zitronenhai mit einem schlanken, langgestreckten Körper», erklärte Sternes.

Diese Form sei für ein derart grosses Tier physikalisch viel sinnvoller, um sich effizient durch Wasser bewegen zu können. Auch moderne Riesenhaie wie Walhai (Rhincodon typus) und Riesenhai (Cetorhinus maximus) sowie andere riesige Wasserwirbeltiere wie Wale hätten schlanke Körper.
Ein Megalodon-Neugeborenes war womöglich bereits dreieinhalb bis vier Meter lang und damit so gross wie viele ausgewachsene Haie heutiger Arten. «Es ist durchaus möglich, dass Megalodon-Junge bereits kurz nach ihrer Geburt Meeressäuger erlegten», so Sternes.
Erst ein neuer Fund wird Klarheit bringen
Alle ihre Interpretationen seien Arbeitshypothesen und noch vorläufig, betonen die Forschenden. Letztlich werde erst der Fund eines vollständigen Skeletts Sicherheit bringen.
Die Ergebnisse stützen eine frühere Analyse des Teams mit Phillip Sternes als Erstautor. Dabei waren Computertomographie-Scans der Wirbel eines Weissen Hais und Daten des Megalodon aus früheren Studien genutzt worden.
Schon diese Ergebnisse legten nahe, dass der Megalodon nicht einfach eine riesige Version des modernen Weissen Hais war.