Apple lässt Nutzerinnen und Nutzer über Werbe-Tracking entscheiden
Apple will seine Kundschaft künftig selbst über die Weitergabe ihrer Daten entscheiden lassen. Das neue Betriebssystem stösst allerdings vielen sauer auf.
Das Wichtigste in Kürze
- Apple-Nutzende können bald selbst über ihr Werbe-Tracking auf Apps entscheiden.
- Online-Konzerne wie Facebook wehren sich gegen das Vorhaben.
- Sie werfen Apple unfairen Wettbewerb vor und reichten eine Beschwerde ein.
Darf eine App meine Aktivitäten im Netz beobachten oder nicht? Diese Frage können Nutzerinnen und Nutzer eines iPhone, iPad oder Apple TV künftig selbst entscheiden: Apple gibt seiner Kundschaft als erster Smartphone-Anbieter eine einfache Möglichkeit, das Nachverfolgen ihres Verhaltens zu stoppen. Apple feiert das neue Betriebssystem als Sieg für den Datenschutz. Online-Konzerne wie Facebook und Medienunternehmen, die von Online-Werbung abhängig sind, sehen dagegen das freie Internet in Gefahr.
Anbieter von iPhone-Apps müssen Nutzer künftig ausdrücklich um Erlaubnis für das übergreifende Tracking fragen. Die Analyse-Firma App Annie geht davon aus, dass 90 Prozent der Nutzenden ablehnen werden. Und das hat weitreichende Folgen: Nicht personalisierte Werbung ist deutlich weniger wirksam als Anzeigen, die auf die persönlichen Interessen der User zugeschnitten sind.
Facebook und Verbände schiessen gegen Apple
Facebook warnte schon seit Monaten, dies werde vor allem kleine und mittlere Unternehmen treffen. Diese seien insbesondere in der Corona-Pandemie auf personalisierte Werbung bei dem Online-Netzwerk angewiesen. Am Montag warfen mehrere deutsche Verbände aus der Werbe- und Medienbranche Apple unfairen Wettbewerb vor. Sie reichten eine Beschwerde beim Bundeskartellamt ein.
Apple betont dagegen: «Wir glauben, dass Privatsphäre ein grundlegendes Menschenrecht ist.» Die Daten gehörten den Nutzern, «und sie sollten selbst entscheiden können, wie ihre Daten verwendet werden und von wem». Man habe Unterstützung von Behörden und Datenschützern für die Funktion bekommen. Die Daten der Nutzer auf den Geräten seien immer reichhaltiger und persönlicher geworden.
Die schon im Sommer 2020 angekündigte «App Tracking Transparency» (ATT) greift mit der iPhone-Systemversion iOS 14.5, die am Montag veröffentlicht wurde. Gleichzeitig wurde sie für die aktuellen Versionen von iPadOS für das Apple-Tablet sowie tVOS für Apple TV eingeführt.
Die Verbände kritisieren, der Konzern schliesse «faktisch alle Wettbewerber von der Verarbeitung kommerziell relevanter Daten im Apple-Ökosystem aus». Gleichzeitig nehme Apple seine eigenen Dienste jedoch von den geplanten Änderungen aus und sammle selbst erhebliche Mengen Nutzerdaten. Der für Datenschutz bei Nutzenden zuständige Apple-Manager Erik Neuenschwander konterte: «ATT gilt gleichermassen für alle Entwickler weltweit – und das schliesst auch Apple mit ein.»
Apple setzt Werbeindustrie unter Druck
Die werbetreibende Industrie wird durch die rigide Datenschutz-Politik von Apple unter Druck gesetzt. Zwar gibt es weltweit deutlich mehr Anwender des Google-Smartphonesystems Android. Die Besitzer eines iPhones gelten aber für die Werbetreibenden als deutlich lukrativer. Dies, da sie statistisch gesehen mehr Geld ausgeben und auch eher bereit sind, neue Produkte auszuprobieren.
Thomas Husson, Chefanalyst von Forrester, glaubt deshalb, dass die Apple-Massnahmen die Werbebranche dazu zwingen werden, ihre Strategien neu zu bewerten. «Die Vorteile für den Verbraucher durch die Weitergabe persönlicher Daten müssen klar artikuliert werden.» Somit könnten zum einen Verbraucher geschützt werden. Gleichzeitig könne sich Apple weiterhin in Sachen Datenschutz differenzieren und gleichzeitig eigene Geschäftsinteressen verfolgen.
Der Facebook-Konkurrent Snapchat begrüsste unterdessen Apples Vorstoss. «Wir waren schon immer der Ansicht, dass Werbung die Privatsphäre der Kunden berücksichtigen muss.» Das sagte Top-Managerin Jeremi Gorman nach Vorlage aktueller Quartalszahlen. Man arbeite an Wegen, Anzeigen auch unter den neuen Bedingungen effizient zu gestalten.
Eine massgebliche Rolle in der Debatte dürften Regulierungsbehörden und die Politik spielen. In den USA beäugen unter anderem die einflussreichen demokratischen Senatorinnen Amy Klobuchar und Elizabeth Warren die Stärke der Tech-Schwergewichte kritisch.