Gibt WhatsApp unsere Daten an Facebook weiter?
Das Wichtigste in Kürze
- Schützt WhatsApp die Privatsphäre? Nau.ch stellt die Messenger-App auf den Prüfstand.
- WhatsApp hat im Selbsttest keine Daten direkt an Facebook weitergegeben.
- Facebook hat derweil viele andere Wege, an unsere Daten zu kommen.
Wie nutzt WhatsApp unsere Daten? Diese Frage stellte Nau.ch vergangene Woche den Leserinnen und Lesern. Schnell zeigte sich: Das Vertrauen ist gering.
Wir hatten wohl alle schon einmal dieses Gefühl: Gerade noch schreiben wir eine WhatsApp-Nachricht, und im nächsten Moment erhalten wir bereits Werbung zum Thema. Doch liegt dies wirklich an WhatsApp, oder kriegt der Mutterkonzern Facebook seine Informationen auf anderen Wegen, um Werbung zu personalisieren?
WhatsApps Schutz der Privatsphäre im Selbsttest
Nau.ch hat WhatsApps Umgang mit der Privatsphäre getestet. Eine Woche lang hat Nau.ch-Redaktor Jochen Tempelmann fleissig über ein angeblich neues Hobby gewhatsappt. Mit dem Thema Angeln wurde dabei ein Thema gewählt, das einen grossen Fachmarkt besitzt und entsprechend viel Werbung verwendet.
Während des Tests wurde akribisch darauf geachtet, dass Facebook nicht auf anderen Kanälen über das neue Hobby informiert wird. Eine Woche lang wurden alle Register gezogen: Anglerausflug-Gruppenchats, Fotos von Angelruten und Kördern, selbst der Standort des lokalen Fischereiladens wurde auf WhatsApp geteilt.
EU verbietet WhatsApp die Datenweitergabe
Eigentlich sollte eine Verfügung der EU-Datenschutzbehörde die Weitergabe von Daten verhindern. Doch tut sie es? WhatsApp erklärt die Verfügung auf seiner Webseite in eigenen Worten:
«Derzeit nutzt Facebook deine WhatsApp Account-Informationen nicht dazu, deine Produkterlebnisse auf Facebook zu verbessern oder dir interessantere Facebook-Anzeigen zu zeigen. Das ist das Ergebnis von Diskussionen mit dem Leiter der irischen Datenschutzbehörde und anderen Datenschutzbehörden in Europa.»
Das Resultat nach einer Woche Angeln auf WhatsApp fiel so aus, wie WhatsApp es selbst verspricht: Keine einzige Werbeanzeige zum Thema erschien auf dem verbundenen Facebook-Account.
Facebook würde also eigentlich gerne WhatsApp-Daten für personalisierte Inhalte verwenden. Doch derzeit verbieten die Datenschutzbeauftragten der EU in Berufung auf die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) den Zugriff. Doch in Zukunft könnte sich das auch wieder ändern:
«Falls wir uns zukünftig entscheiden, solche Daten zu diesem Zweck mit den Facebook-Unternehmen zu teilen, erfolgt das nur dann, wenn der Leiter der irischen Datenschutzbehörde einem Mechanismus zustimmt, der eine solche Nutzung ermöglicht.»
Digitale Gesellschaft empfiehlt WhatsApp-Alternativen
Wird unsere Privatsphäre auf WhatsApp also noch respektiert? Nau.ch hat bei der Digitalen Gesellschaft nachgefragt, die sich unter anderem für Privatsphäre im Netz einsetzt. Martin Steiger, Sprecher der Digitalen Gesellschaft und Rechtsanwalt, sagt auf Anfrage von Nau.ch: «Wir empfehlen die Nutzung von WhatsApp-Alternativen. Wir raten zwar nicht ausdrücklich von WhatsApp ab, aber wir halten WhatsApp nicht für vertrauenswürdig.»
Derzeit sei nicht bekannt, dass Facebook gegen die Auflagen der Datenschutzbehörden verstosse. Da es um Facebook gehe, würde ein Verstoss jedoch auch nicht überraschen.
«Gründe, WhatsApp nicht zu nutzen»
Auch wenn Facebook anscheinend keine WhatsApp-Daten nutze, gebe es andere Gründe, die App zu meiden. «Seit 2016 verwendet WhatsApp für Nachrichteninhalte das anerkannte Signal-Protokoll für die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung. Das ist erfreulich. Metadaten wie die Nutzungszeiten der App, gespeicherte Kontakte oder der Zeitpunkt des Versendens einer Nachricht liegen WhatsApp jedoch unverschlüsselt vor. Ebensowenig sind WhatsApp-Backups vollständig verschlüsselt.»
Sicherheitsbehörden, unter Umständen aber auch Kriminelle, können sich somit Zugang zu den Daten verschaffen. «Daher sind Messenger-Apps, die alle Inhalte verschlüsselt speichern, zu bevorzugen.» Derzeit seien Threema und Signal nutzerfreundliche Alternativen, die hinsichtlich des Datenschutzes besser wären. Telegram hingegen sei nicht empfehlenswert.
Es bleibe jedoch eine Auswahl des kleinsten Übels – auf digitale-gesellschaft.ch findet sich ein ausführlicher Vergleich.
Woher kommt die personalisierte Werbung?
Facebook selbst bestätigt derweil andere Wege, unsere Aktivitäten im Netz ganz offiziell auszuspionieren: «Wenn du bereits einen Cookie von Facebook erhalten hast, weil du ein Konto besitzt oder Facebook.com besucht hast, sendet dein Browser über diesen Cookie Informationen an uns, sobald du eine Website mit dem „Gefällt mir“-Button oder einem anderen sozialen Plugin besuchst.»
Das bedeutet, dass Facebook unsere Aktivitäten auf sämtlichen Internetseiten, die irgendwo einen Like-Button enthalten, ganz einfach nachverfolgen kann. Die Anwesenheit des Buttons genügt – ob wir darauf klicken oder nicht, ist egal.
Facebook braucht nicht unbedingt Zugriff auf die Inhalte unserer Nachrichten. Oft genügen Metadaten: Informationen über Anrufe, die wir tätigen, Orte, an denen wir uns aufhalten, Telefonnummern, die wir ins Adressbuch aufnehmen. Ein Anruf beim Arzt genügt, damit Facebook weiss, dass wir krank sind. Dafür müssen wir nicht einmal aktiv das Internet verwenden.