Die britischen Einzelhändler leiden - und Schuld ist vor allem die wirtschaftliche Unsicherheit wegen des Brexits. Doch es gibt auch Gewinner. Die kommen aber nicht aus Grossbritannien.
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Passanten gehen in der Innenstadt von Manchester, Grossbritannien, an einer Filiale von Aldi vorbei. Foto: Marius Becker/dpa - dpa

Das Wichtigste in Kürze

  • Hohe Einkaufspreise, weniger Kunden, Angst vor leeren Regalen: Der Brexit macht den Händlern in Grossbritannien zu schaffen.
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4 von 5 Briten sorgen sich, dass die Preise für Lebensmittel und Getränke nach dem Brexit weiter steigen.

«Es gibt kaum Zweifel unter Einzelhändlern, Herstellern und Landwirten, dass der Brexit zu einer erheblichen Störung der britischen Lebensmittelversorgung führen wird», stellte das Forschungsinstitut Kantar Anfang Oktober fest. Die Sorgen spielen vor allem zwei Unternehmen in die Karten: Den deutschen Discountern Aldi und Lidl.

«Wir halten es für vorstellbar, dass wegen des Brexits die Verbraucher auch in Grossbritannien noch mehr auf die Preise schauen», sagt Kai Falk, Geschäftsführer des Handelsverbands Deutschland (HDE), der Deutschen Presse-Agentur. «Die Resonanz der britischen Kunden ist sehr positiv. Es sind gute Zeiten für Discounter.» Das bestätigt Ulrich Hoppe, Hauptgeschäftsführer der Deutsch-Britischen Handelskammer in London: Die Discounter würden mittlerweile auch von der breiten Mittelschicht äusserst positiv wahrgenommen.

Bald 30 Jahre nach ihrem Markteintritt haben Aldi und Lidl die Supermarktlandschaft in Grossbritannien umgekrempelt. Das Billigkonzept wird von Verbrauchern und Presse als «The Aldi effect» gefeiert. Das Preis-Leistungs-Verhältnis sei im Vergleich mit den alteingesessenen Ketten deutlich besser, sagt Hoppe.

Und im Gegensatz zur Konkurrenz wachsen Lidl und Aldi weiter kräftig. Einer aktuellen Kantar-Studie zufolge konnten die deutschen Unternehmen ihren Marktanteil deutlich auf mittlerweile insgesamt 14 Prozent ausbauen. «Das Plus ist fast eine Milliarde Pfund (1,16 Mrd Euro) jährlich wert», urteilte das Institut. Aldi UK lockte zwischen Juli und Oktober 689.000 neue Kunden an und damit mehr als alle andere Ketten, in der Liste der beliebtesten Supermärkte liegt das Unternehmen auf Rang 2. Lidl UK kündigte jüngst eine Investitionsoffensive über 15 Milliarden Pfund in den kommenden fünf Jahren an. Beide Ketten wollen Dutzende neue Filialen im Land eröffnen und Tausende Jobs schaffen.

Dass die niedrigen Preise und hohe Infrastrukturkosten auf den Gewinn drücken, ficht Aldi-UK-Chef Giles Hurley nicht an. Das Unternehmen blicke nicht auf kurzfristige Profite, sagte er jüngst. «Unser Fokus liegt auf Wachstum; auf Verkäufen, Filialen und Kundenzahlen.»

Nachdem der von Premierminister Boris Johnson wiederholt versprochene Austrittstermin am 31. Oktober nicht eingehalten wurde, soll Grossbritannien die EU nun spätestens am 31. Januar 2020 verlassen. Die genauen Umstände sind aber weiter unklar, viele Kunden haushalten deswegen. Das drückt bei den britischen Einzelhändlern auf die Stimmung.

Beispiel Asda: Der drittgrösste britische Einzelhändler hat Tarif-Ärger mit den Beschäftigten, Umsatz und Marktanteil gingen zuletzt zurück, die Wettbewerbsbehörde verbot die Fusion mit Konkurrent Sainsbury's. Die anderen Branchengrössen plagen ähnliche Probleme, selbst Marktführer Tesco kommt nicht zur Ruhe. Erst vor kurzem kündigte überraschend Chef Dave Lewis seinen Rücktritt an. Nicht nur bei Lebensmitteln sind die Probleme gross - der Einzelhandelsriese Marks & Spencer musste im ersten Halbjahr (Ende September) erhebliche Einbussen in den Segmenten Bekleidung und Haushaltswaren hinnehmen. Analysten hatten bereits vorab vor einem «Blutbad» in den Sparten gewarnt.

Vorteil Aldi und Lidl: Die Discounter gelten als gut gerüstet für ein mögliches Chaos nach dem EU-Austritt. «Der Brexit führt zu einem reduzierten Wirtschaftswachstum, der Druck auf die Konsumenten wird grösser. Und ein Verbraucher, der stärker auf das Pfund achten muss, geht dann eher dahin», sagt AHK-Chef Hoppe.

Ausserdem, so betonte es Aldi-Chef Hurley, biete das Unternehmen eine kleinere Produktpalette als die Konkurrenz. Drei Viertel des Angebots stammten von Herstellern und Lieferanten aus Grossbritannien. Das ist ein deutlicher Unterschied zum Gesamtmarkt - denn laut Kantar werden 62 Prozent aller Lebensmittel importiert, der Grossteil aus der EU. Ein Aldi-UK-Sprecher kündigte an, das Unternehmen werde weiterhin die niedrigsten möglichen Preise anbieten - «was auch immer die Zukunft bereit hält».

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