Am Samstag standen für Alexej Nawalny gleicht zwei Prozesse an. In beiden Fällen musste der Oppositionelle eine Niederlage einstecken.
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Der Kremlgegner Alexei Anatoljewitsch Nawalny im Gerichtssal. (Archivbild) - dpa

Das Wichtigste in Kürze

  • Kremlkritiker Alexej Nawalny wurde am Samstag in zwei Fällen verurteilt.
  • Der Oppositionelle muss ins Straflager und eine Geldbusse bezahlen.
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Kurz vor dem zweiten Urteil in nur sieben Stunden werden dem Kremlkritiker Alexej Nawalny Handschellen angelegt. Russlands prominentester Oppositioneller steht in einem Gerichtssaal in der Hauptstadt Moskau in einem Glaskasten, bewacht von Polizisten.

Trotz allem ist der 44-Jährige zu Scherzen aufgelegt: Nawalny erzählt, dass er im Gefängnis Gurken einlege. Gleich zweimal muss der Gegner von Kremlchef Wladimir Putin am Samstag vor der Justiz Niederlagen einstecken.

Nun kommt er ins Straflager. Alexej Nawalny nimmt die beiden Urteile lachend und gelassen auf, bevor Russland in ein verlängertes Feiertagswochenende startet.

Justiz bestätigt die Straflagerhaft

Vor Gericht zeigt er sich diesmal von einer anderen Seite. Während er zuvor noch Putin als «Vergifter der Unterhosen» beschimpfte, spricht er diesmal über Gott und bezeichnet sich als Gläubigen. «Das hilft mir bei meiner Arbeit.»

Der Putin-Widersacher skizziert Visionen von Russland, als ob er mitten im Wahlkampf stehe. In seiner Heimat wird im September ein neues Parlament gewählt. Er selbst wird zu dieser Zeit wohl in Haft sein.

Alexej Nawalny
Alexej Nawalny sitzt in Haft. (Archivbild) - Keystone

In einem Berufungsverfahren bestätigte die Justiz am Samstag die Anfang Februar verhängte umstrittene Straflagerhaft. Obendrauf gibt es noch eine Geldstrafe. Beide Urteile stehen als politisch motiviert in der Kritik.

Alexej Nawalny soll gegen Bewährungsauflagen aus einem früheren Strafverfahren verstossen haben, während er sich in Deutschland von einem Giftanschlag erholte. Deshalb wird er jetzt wohl schon in den nächsten Tagen ins Lager gebracht. Ihm werden aber ein mehrmonatiger Hausarrest und frühere Haftzeiten angerechnet. Nach Berechnungen seiner Anwälte könnte er nach zwei Jahren, sechs Monaten und zwei Wochen freikommen.

Mit der Bestätigung des Urteils ignoriert Russland eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Dieser verlangte die unverzügliche Freilassung des Oppositionellen. Nawalny Anwälte wollen daher gegen den Richterspruch vorgehen.

Alexej Nawalny ist seit einem Monat in Haft

Er selbst sagt: «Die ganze Welt wusste, wo ich mich aufhalte.» Den Vorwurf, er habe sich vor der Justiz verstecken wollen, nennt er «absurd». Schliesslich sei er freiwillig zurückgekehrt. Nun sitzt er seit seiner Ankunft vor einem Monat sitzt er in Haft.

Staatsanwältin Jekaterina Frolowa wiederholt dagegen den Vorwurf, Nawalny habe sich nicht ordnungsgemäss bei den Behörden gemeldet und stattdessen Interviews gegeben. «Sieht so der Zeitvertreib eines Kranken aus?».

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Der russische Präsident Wladimir Putin. (Symbolbild) - Keystone

In Deutschland stossen solche Aussagen auf Unverständnis. Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt spricht von «politischer Willkür»: Die Bundesregierung müsse sich energischer für Nawalnys Freilassung einzusetzen.

Der Familienvater sagt vor Gericht, er bereue die Rückkehr in seine Heimat nicht. Sein Slogan «Russland wird frei sein» müsse erweitert werden. «Russland sollte nicht nur frei sein, sondern auch glücklich. Russland ist ein unglückliches Land.»

9400 Euro Strafe für Nawalny

Die Inhaftierung Nawalnys hatte Massenproteste ausgelöst. Es gab mehr als 10'000 Festnahmen. Am Samstag gab es diesmal keine grösseren Proteste.

Im zweiten Verfahren wird Nawalny zu 850'000 Rubel (umgerechnet 9400 Euro) Strafe verurteilt, weil er einen Weltkriegs-Veteranen beleidigt haben soll. Hintergrund ist Kritik an einem Video, das das Staatsfernsehen im Sommer ausgestrahlt hatte. Darin warben mehrere Bürger - auch der 94-jährige Veteran - für eine Verfassungsänderung, die der Sicherung von Putins Macht dient.

Alexej Nawalny beschimpfte die Protagonisten auf Twitter als «Verräter». Der alte Mann soll sich so sehr beleidigt gefühlt haben, dass sich sein Gesundheitszustand verschlechtert habe. Nawalny hingegen hält ihn für eine «Marionette» in einem politisch motivierten Prozess.

Alexej Nawalny
Oppositionspolitiker Alexej Nawalny an einer Demonstration. (Archivbild) - dpa

Russland drohen nach den beiden Urteilen nun neue Sanktionen. Österreichs Aussenminister Alexander Schallenberg sagte der «Welt am Sonntag»: «Wir werden beim Aussenministerrat am Montag angemessene Reaktionen auf den Fall Nawalny diskutieren.» Er erwarte dafür eine «breite Mehrheit». Vermutlich wird eine Liste mit Personen und Organisationen ausgearbeitet, die in den kommenden Wochen mit Einreiseverboten und Vermögenssperren belegt werden.

Der Kreml zeigt sich davon unbeeindruckt. Sprecher Dmitri Peskow bezeichnete Russlands politische Landschaft am Wochenende als «sehr vielschichtig». «Wir haben einen ausreichenden Pluralismus in der politischen Arena.» Den Namen Nawalny nannte er nicht.

Weitere Verfahren drohen

Über die Lagerhaft hinaus drohen dem Kremlgegner noch weitere Strafverfahren. So will die Staatsanwaltschaft auch seine jüngsten Äusserungen vor Gericht untersuchen lassen. Zu seiner Richterin hatte er gesagt, sie sie «die gewissenloseste Richterin der Welt».

Am Samstag scherzte Alexej Nawalny angesichts der vielen Prozesse: «Ich spreche so oft das letzte Wort. Falls sich jemand entschliessen sollte, meine letzten Worte zu veröffentlichen, wird ein dickes Buch dabei herauskommen.»

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