Ansteckungsgefahr durch Kinder: Drosten bleibt bei Aussagen
Das Wichtigste in Kürze
- In einer überarbeiteten Fassung seiner Studie zur Infektiosität von Kindern in der Corona-Krise hält das Forscherteam um den Berliner Virologen Christian Drosten an seiner grundlegenden Aussage fest.
Es gebe keine Hinweise darauf, dass Kinder im Bezug auf Sars-CoV-2 nicht genauso ansteckend seien wie Erwachsene, heisst es in der aktualisierten Version der Studie. Sie ist noch nicht in einem begutachteten Fachjournal erschienen, sondern wurde als sogenannter Preprint veröffentlicht.
Ein erster Entwurf der Untersuchung war Ende April veröffentlicht worden und hatte Kritik und teils heftige Auseinandersetzungen nach sich gezogen. Die Aussage bereits damals: Kinder tragen eine ebenso hohe Viruslast wie Erwachsene - und sind mithin vermutlich genauso ansteckend. Die Forscher hatten aufgrund dieser Ergebnisse vor einer uneingeschränkten Öffnung von Schulen und Kindergärten in Deutschland gewarnt. In der neuen Fassung heisst es dazu: «Die uneingeschränkte Öffnung dieser Einrichtungen sollte sorgfältig mit Hilfe von vorbeugenden diagnostischen Tests überwacht werden.»
Kritik hatte es vor allem an der statistischen Auswertung der Daten gegeben. Die angewandten Methoden seien nicht geeignet, hiess es von Wissenschaftlern unter anderem. Allerdings hatten die Kritiker später betont, dass solche Diskussionen in der Wissenschaft normal seien und Kritik an der Methode nicht zwangsläufig das Ergebnis infrage stelle. Drosten räumte ein, die statistischen Methoden seien eher grob gewesen, hielt aber an der Aussage der Studie fest.
Der Virologe Alexander Kekulé vom Uniklinikum Halle (Saale) und weitere Forscher lobten die überarbeitete Fassung. «Ich finde die neue Arbeit sehr gut», sagte Kekulé im Podcast von MDR Aktuell. Sie liefere auch neue interessante Ergebnisse, die jetzt von der Politik genutzt werden könnten. Kekulé hatte zuvor Kritik an der ursprünglichen Version der Studie von Drosten geäussert, woraufhin es zwischen den beiden Forschern zu einem medialen Schlagabtausch gekommen war. Im Podcast sagte Kekulé nun jedoch: «Ich habe gestern über eine Stunde mit ihm telefoniert. Ich hatte nicht den Eindruck, dass da irgendwie persönliche oder auch inhaltliche Diskrepanzen da sind.» Man könne fachliche Diskussionen führen, müsse aber aufpassen, dass es nicht auf die persönliche Ebene abrutsche.
«In der neuen Version der Studie werden die Kommentare, die es zur statistischen Analyse der ersten Fassung gab, aus meiner Sicht überzeugend eingearbeitet», urteilt Christoph Rothe, Statistiker von der Universität Mannheim auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur nach einer ersten Durchsicht der überarbeiteten Ergebnisse. Er gehörte zu den Forschern, die die statistischen Methoden in der ursprünglichen Analyse kritisiert hatten.
Der Statistiker Dominik Liebl von der Uni Bonn, der sich ebenfalls mit der ersten Version der Drosten-Studie auseinandergesetzt hatte, schreibt auf dpa-Anfrage: Der methodische Teil der statistischen Analyse in der neuen Version sei aus seiner Sicht deutlich verbessert worden. Und Liebl ergänzt: «Auch die neue Version des Preprints wird sicherlich weiterhin in der Wissenschaft diskutiert werden, und dies ist auch gut so.»
In der vorgestellten Überarbeitung hat das Team die Daten von insgesamt 3303 Sars-CoV-2-Infizierten analysiert. Sie fanden demnach bei 29 Prozent der Kinder im Kindergartenalter (0 bis 6 Jahren), bei 37 Prozent der Kinder zwischen 0 und 19 Jahren sowie bei 51 Prozent der über 20-Jährigen eine Virusmenge, die für eine Ansteckung wahrscheinlich ausreichend ist. Die Unterschiede zwischen den Gruppen könnten auch auf unterschiedliche Anwendung der Tests zurückzuführen sein. «Wir schlussfolgern, dass ein erheblicher Anteil infizierter Personen aller Altersgruppen - auch unter denen mit keinen oder milden Symptomen - eine Viruslast trägt, die wahrscheinlich Infektiosität bedeutet.»