Ärztepräsident Reinhardt kritisiert Auffrischungsimpfung
Insgesamt fehlten noch aussagekräftige Studien, ob, wann und für wen eine Boosterimpfung angezeigt sei, sagte Reinhardt dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (Donnerstagsausgabe). «Ich halte es deshalb für einen Fehler, dass Bund und Länder in der Breite Auffrischungsimpfungen angekündigt haben, ohne eine entsprechende Empfehlung der Stiko abzuwarten.»
Theoretisch spreche einiges dafür, «dass eine Auffrischimpfung für Menschen mit bestimmten Vorerkrankungen, mit einem geschwächten Immunsystem sowie für Hochbetagte sinnvoll sein kann», sagte der Ärztepräsident. Nach bisherigen Erkenntnissen sei die Drittimpfung aber für die meisten Geimpften nicht sofort nötig.
Zuvor hatten bereits die Kassenärzte von der Stiko Klarheit darüber gefordert, für wen eine dritte Dosis genau empfohlen wird. Auch der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach drängt weiter auf eine schnelle Stiko-Empfehlung für zielgenaue Auffrischungsimpfungen. «Ich befürchte, dass jetzt viele mit einer dritten Impfung versehen werden, die davon nicht profitieren, während diejenigen, die sie dringend benötigen würden, sie nicht bekommen», sagte Lauterbach der «Rheinischen Post» (Donnerstagsausgabe).
Auch der Bonner Virologe Hendrik Streeck bekräftigte seine Zweifel am Sinn einer durchgängigen dritten Impfung. «Es gibt keinen belastbaren Hinweis, dass die Wirkung von zwei Impfungen derart nachlässt, dass sie das Hauptziel des Schutzes vor einem schweren Verlauf prinzipiell nicht mehr gewährleisten», sagte er der «Neuen Osnabrücker Zeitung». Nur bei Patienten mit hohem Risiko könne eine Boosterimpfung sinnvoll sein.
Die Grünen warfen der Bundesregierung eine mangelnde Strategie für die Auffrischungsimpfungen vor. «Die Bundesregierung hat es verpasst, frühzeitig systematisch Daten für Deutschland zu erheben, für wen und wann sogenannte Boosterimpfungen zwingend sinnvoll sind», sagte der Grünen-Gesundheitsexperte Janosch Dahmen der «Rheinischen Post». Er forderte eine «systematische Auffrisch-Impfkampagne» für alle Menschen, bei denen die Wirkung der Impfstoffe aufgrund hohen Alters oder geschwächten Immunsystems mutmasslich zu gering ist.
Mehrere Bundesländer haben bereits damit begonnen, Pflegebedürftigen, über 80-Jährigen und Menschen mit Immunschwäche sogenannte Boosterimpfungen anzubieten. Der Start der Auffrischimpfungen geht auf eine entsprechende Entscheidung der Gesundheitsministerkonferenz (GMK) von Anfang August zurück. Das Angebot gilt danach auch für Menschen, die eine vollständige Impfung mit Vektor-Impfstoffen von Astrazeneca oder Johnson&Johnson erhalten haben.