Avignon-Prozess: Urteil gegen Pelicot und 50 Mitangeklagte erwartet

Keystone-SDA
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Frankreich,

Im aufsehenerregenden Vergewaltigungsprozess in Avignon stehen die Urteile an.

Gisèle Pelicot
Gisèle Pelicot geht davon aus, rund 200 Mal vergewaltigt worden zu sein. (Archivbild) - Lewis Joly/AP

In dem Aufsehen erregenden Vergewaltigungsprozess im französischen Avignon stehen in der kommenden Woche die Urteile über Dominique Pelicot und 50 weitere Angeklagte an. Die Staatsanwaltschaft hat 20 Jahre Haft für den geständigen Serienvergewaltiger gefordert, der seine Frau fast zehn Jahre lang immer wieder mit Schlafmitteln betäubt und im Internet zur Vergewaltigung angeboten hatte.

Für die Mitangeklagten forderte die Staatsanwaltschaft Haftstrafen von vier bis 18 Jahren. Die Verteidigung hingegen forderte für einen grossen Teil der Männer, die Gisèle Pelicot im Zustand der Bewusstlosigkeit missbraucht hatten, den Freispruch.

Anwälte argumentieren Unschuld ihrer Mandanten

Die immer wieder vorgebrachten Argumente der Anwälte über ihre Mandanten: Sie wussten nicht, was sie taten. Sie hatten sie gar nicht vergewaltigen wollen. Viele erklärten, sie seien überzeugt gewesen, sie hätten sich an einem Sexspiel eines freizügigen Paares beteiligt.

Keiner der Mitangeklagten hatte ein Problem damit gehabt, dass die zeitweise sogar schnarchende Gisèle Pelicot offensichtlich nicht in der Lage gewesen war, ihre Zustimmung zum Sex zu geben. Es gab sogar den Erklärungsversuch, dass die Anwesenheit ihres Ehemannes ausreiche, um ihre Zustimmung anzunehmen.

Gisèle Pelicot: Eine Heldin der Frauenbewegung

Die 72 Jahre alte Gisèle Pelicot ist durch diesen Prozess zur Heldin der Frauenbewegung in Frankreich geworden: Sie hatte gefordert, das Verfahren nicht unter Ausschluss der Öffentlichkeit abzuhalten. Sie setzte sich ausdrücklich dafür ein, die Videos der Vergewaltigungen im Gerichtssaal zu zeigen, «damit die Scham die Seite wechselt».

Der Prozess von Avignon dürfte ebenso in die Geschichte Frankreichs eingehen wie der Prozess einer anderen Gisèle, der Anwältin Halimi, die den Weg zu einem straffreien Schwangerschaftsabbruch ebnete.

Weltweites Aufsehen und politische Stille

Das Verfahren in Avignon erregte weltweit Aufsehen. Zahlreiche internationale Medien verfolgen die Gerichtsverhandlungen. Gisèle Pelicot wurde auf ihrem Weg durch das Gerichtsgebäude mit respektvollem Beifall bedacht. Unbekannte schenkten ihr Blumen, schrieben ihr, dass sie sich durch sie ermutigt fühlten, endlich eine lange aufgeschobene Klage oder Scheidung einzureichen.

«Im Jahr 2024 kann niemand mehr sagen: 'Sie hat nichts gesagt, also war sie einverstanden'», erklärte die Staatsanwältin Laure Chabaud in ihrem Plädoyer. Sie traf damit den Kern der Debatte

Debatte um Zustimmung und Vergewaltigung

Die durch den Pelicot-Prozess in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist: Wann ist unerwünschter Geschlechtsverkehr eine Vergewaltigung?

Im französischen Strafrecht steht bis heute, dass ein Täter Gewalt oder Zwang angewendet oder damit gedroht haben muss, um ihn wegen Vergewaltigung zu verurteilen. Von einer fehlenden Zustimmung des Opfers ist nicht die Rede. Nun fordern immer mehr Menschen, das Prinzip «Nur Ja heisst Ja», das bereits in Spanien und Schweden gilt, auch in Frankreich gesetzlich festzuschreiben.

Auffällig war auch, dass sich nur wenige führende Politiker in Frankreich zu dem Avignon-Prozess äusserten.

Schweigen der Rechtspopulisten

Vor allem die Rechtspopulisten, die sich zu mutmasslichen Vergewaltigungen durch Täter mit Migrationshintergrund regelmässig laut und rabiat äussern, blieben dieses Mal still.

Vielleicht ist dies für viele das Verstörendste an diesem Prozess: Dass es in einem idyllischen Dorf in der Provence möglich war

Dutzende Männer in der Umgebung zu finden, die sich zur Vergewaltigung einer bewusstlosen Frau einladen liessen. Und dass es sich bei den meisten von ihnen um scheinbar gewöhnliche Typen handelt: Unter ihnen sind Journalisten, Informatiker und Krankenpfleger.

Kommentare

User #4194 (nicht angemeldet)

Ab in den Knast mit den grausamen Typen. Mit allen.

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