Bewegung bei Verhandlungen zu russischer Getreideblockade
Nächste Woche scheint ein Treffen der Kriegsparteien möglich zu sein. Es wird aber vor zu viel Optimismus gewarnt, die Getreideblockade ist nicht gelöst
Das Wichtigste in Kürze
- Die Ukraine und Russland scheinen wegen der Getreideblockade zu einem Treffen bereit.
- UN-Chef Guterres würde dann mit den beiden Ländern direkt verhandeln.
- Wegen blockierter Häfen drohen in vielen Ländern eine Hungersnot.
Die Verhandlungen zum Durchbrechen der russischen Getreide-Blockade in der Ukraine machen offenbar Fortschritte.
UN-Sicherheitsratskreise bestätigten der dpa die Möglichkeit eines Treffens der Konfliktparteien zusammen mit UN-Generalsekretär António Guterres in der Türkei – womöglich schon in der kommenden Woche. Die Gespräche befänden sich an einem Punkt, an dem der UN-Chef direkt mit Russen und Ukrainern verhandeln würde, um einen Deal ins Trockene zu bringen.
Diplomaten in New York warnten aber auch vor zu viel Optimismus: Bislang gebe es keine Einigung zur Ausfuhr von Getreide aus der Ukraine über das Schwarze Meer. Das Misstrauen zwischen Moskau und Kiew sei nach wie vor sehr gross und es gebe weiter eine Reihe Hürden bei den Verhandlungen.
Eine weitere offene Frage sei, ob Russland sein Engagement bei den Gesprächen überhaupt aufrichtig meine, sagte ein westlicher Diplomat. Die Vereinten Nationen teilten offiziell lediglich mit, dass die Verhandlungen weitergingen.
Grösste Weizenexporteure der Welt
Die internationale Gemeinschaft fordert von Russland seit Wochen, den Export von ukrainischem Getreide zu ermöglichen. Die Ukraine beklagt, dass durch die russische Kriegsmarine ihre Häfen im Schwarzen Meer blockiert seien. Beide Länder gehören zu den grössten Weizenexporteuren und spielen eine wichtige Rolle für die Ernährungssicherheit in der Welt. Die Vereinten Nationen warnten zuletzt schon vor der grössten Hungersnot seit Jahrzehnten.
Konkret geht es um die Ausfuhr von 20 Millionen Tonnen Getreide aus der Ukraine vor allem nach Nordafrika und Asien, ein Grossteil davon liegt im Hafen von Odessa. Zu spüren bekommt das gegenwärtig zum Beispiel Somalia, wo die UN vor einer riesigen Hungerkatastrophe warnen.
Somalia bezieht 50 Prozent seiner Weizenimporte aus der Ukraine, 35 Prozent aus Russland. Wegen der anstehenden Ernte drängt die Zeit: Zuletzt wurde von UN-Seite gesagt, dass ein Deal im Juni eigentlich stehen müsste, weil die Speicherkapazitäten in der Ukraine sonst nicht ausreichten.
Die Vereinten Nationen und die Türkei versuchen seit mehreren Wochen in dem Konflikt um das Getreide zu vermitteln und einen Paketdeal auszuhandeln, der Russland auch die Möglichkeit gibt, sein Düngemittel auf den Weltmarkt zu bringen. Am Dienstag waren Militärvertreter Russlands und der Türkei zu Gesprächen in Moskau zusammengekommen. Danach berichtete die türkische Nachrichtenagentur Anadolu ohne Nennung konkreter Quellen von einem Treffen aller vier Parteien «in den kommenden Wochen» in der Türkei.
Kontrolle des Schwarzen Meeres Kernproblem
Die grösste Hürde für eine Einigung ist übereinstimmenden Angaben von Diplomaten zufolge, wie die Schiffe auf der Route durch das Schwarze Meer in die Ukraine kontrolliert werden sollen. Russland will verhindern, dass zum Beispiel Waffen in das Land geliefert werden und behält sich vor, einfahrende Schiffe selbst zu durchsuchen.
Das lehnt Kiew ab. Ein Kompromissvorschlag ist die Inspektion durch die türkische Marine unter Anleitung der Vereinten Nationen. Dem habe Moskau aber bislang nicht zugestimmt. Ein weitere Frage sei, wie die Sicherheit der Ukraine vor russischen Angriffen sichergestellt werden könne, wenn Kiew Seeminen zum Schutz seiner Häfen räumt.
Bundeskanzler Olaf Scholz hatte zuletzt ein Einlenken Russlands gefordert: «Es kann nicht dabei bleiben, dass Millionen Tonnen (Getreide) in ukrainischen Speichern feststecken, obwohl sie weltweit dringend gebraucht werden», sagte er im Bundestag. Von den anstehenden Gipfeln der EU, der Nato und der sieben führenden Industrienationen (G7) müsse daher die Botschaft ausgehen, dass die Demokratien der Welt auch im Kampf gegen Hunger zusammenstünden.