Die Pandemie hat den Wunsch nach gesunder Ernährung und Nachhaltigkeit noch einmal gestärkt. Dadurch erhielt die Nachfrage nach Bio-Lebensmitteln einen weiteren Schub. Doch was geschieht, wenn die Arbeitsplätze wackeln und das Geld knapp wird?
Hunderte solcher Kisten mit Bio-Produkten verschickt der Bio-Lieferant «Gemüsekiste» regelmässig an seine Kunden in der Region Hannover und Umgebung. Foto: Julian Stratenschulte/dpa
Hunderte solcher Kisten mit Bio-Produkten verschickt der Bio-Lieferant «Gemüsekiste» regelmässig an seine Kunden in der Region Hannover und Umgebung. Foto: Julian Stratenschulte/dpa - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Bio boomt - besonders in der Corona-Pandemie.
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Zahlen der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) zufolge stieg die Nachfrage nach Lebensmitteln aus ökologischer Erzeugung in den ersten drei Monaten der Corona-Krise deutlich stärker als die Umsätze im Lebensmittelhandel insgesamt.

«Die Corona-Krise hat den Trend zu bewussterem Konsum anscheinend nicht gestoppt. Ganz im Gegenteil: Sie scheint ihn verstärkt zu haben», urteilt der GfK-Handelsexperte Robert Kecskes.

Mit dieser Einschätzung steht er nicht allein. Das Informationsportal Ökolandbau berichtet von Rekordumsätzen im Naturkosthandel und einem Boom bei Bio-Abo-Kisten. Auch die Landesvereinigung für den ökologischen Landbau (LVÖ) in Bayern beobachtet: «Immer mehr Menschen entscheiden sich beim Einkauf für Bio-Produkte.» Insbesondere regionale Angebote seien gefragt.

Bei einer aktuellen Umfrage des Marktforschungsinstituts AMM gaben 30 Prozent der Konsumenten an, ihre Bio-Einkäufe in der Pandemie ausgeweitet zu haben. «Der Anteil von Bio-Produkten am Lebensmitteleinkauf hat durch die Pandemie einen weiteren Schub erhalten», ist deshalb auch der Leiter der Studie, der Handelsexperte Joachim Riedl von der Hochschule Hof, überzeugt.

Der Umfrage zufolge profitierten die Bio-Produkte in den vergangenen Monaten nicht nur von ihrem Ruf, hochwertig, umweltfreundlich und gesund zu sein. Die Konsumenten griffen auch deshalb zu Bio-Produkten, weil sie in Zeiten der weltweiten Pandemie regionale Anbieter und Bauern unterstützen wollten. Ausserdem stand oft angesichts ausgefallener Restaurantbesuche und abgesagter Urlaubsreisen mehr Geld für hochwertige Lebensmittel zur Verfügung.

Zum Vergleich: Nicht einmal 4 Prozent der Verbraucher sagten bei der Umfrage, sie hätten ihre Bio-Einkäufe eingeschränkt. Und wo es geschah, passierte es oft eher unfreiwillig. Als Gründe wurden häufig genannt, dass man wegen der Krise nicht mehr so viele Läden aufsuchen wolle oder dass wegen Corona weniger Geld zur Verfügung stehe.

Die Pandemie konnte den Bio-Boom also bislang nicht brechen. Schon seit einigen Jahren sind Bio-Produkte einer der grössten Wachstumstreiber im Lebensmittelhandel. Nach Angaben des Bundes für Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) stieg der Umsatz von Edeka, Rewe, Aldi, Lidl und Co. mit Bio-Lebensmitteln und -Getränken allein im vergangenen Jahr um 11,4 Prozent auf mehr als 7 Milliarden Euro.

Der Umfang der ökologisch bewirtschafteten Fläche in Deutschland stieg nach Angaben des Bundeslandwirtschaftsministeriums allein im vergangenen Jahr um 7,7 Prozent auf rund 1,6 Millionen Hektar. Damit wurde rund ein Zehntel der landwirtschaftliche Fläche ökologisch bewirtschaftet. «Immer mehr Landwirte haben Lust auf Öko-Landbau. Und damit können sie auch die steigende Nachfrage der deutschen Verbraucher nach Biolebensmitteln besser bedienen», sagte Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) der Deutschen Presse-Agentur.

Bio ist also im Alltag angekommen. Das hat Folgen: Supermärkte und Discounter sind dabei, den Bio-Fachmärkten Marktanteile abzujagen. Die grossen Handelsketten würden von den Verbrauchern «zunehmend als kompetente Anbieter von Bio-Lebensmitteln wahrgenommen», sagt Riedl. Es gelinge ihnen immer mehr, auch Bio-Intensivkäufer anzusprechen. Umgekehrt schafften es aber Bio-Fachmärkte bisher kaum, Bio-Gelegenheitskäufer in ihre Läden zu locken. Dies könne für die Fachmärkte in Zukunft zum Problem werden.

Der Verbraucher profitiert im Moment von dem wachsenden Wettbewerb auf dem Bio-Markt. Denn Bio wird billiger. «Die Preiskämpfe um die Mehrwertsteuer-Senkungen strahlen auf das Bio-Geschäft aus», beobachtete erst kürzlich das Branchen-Fachblatt «Lebensmittel Zeitung» und nannte als Beispiele Aldi-Bio-Hackfleisch in der 400-Gramm-Packung zum Kampfpreis von 2,70 Euro und den Bio-Pizzateig von Lidl für 1,27 Euro.

Und der Preiskampf im Bio-Bereich könnte sich sogar noch verschärfen, wenn durch Corona die Arbeitslosenzahlen weiter steigen sollten und die Kunden stärker auf jeden Cent achten müssen - aber auf Bio nicht verzichten wollen. Handelsexperte Riedl sieht jedenfalls durchaus noch Spielraum für Rotstift-Aktionen.

Er ist überzeugt: «Der intensive Wettbewerb unter den grossen Händlern wird die Handelsspannen auch für Bio sinken lassen. Spielraum dafür ist reichlich vorhanden, denn der Preisaufschlag für Bio-Lebensmittel wird heute zu einem grossen Teil vom Handel vereinnahmt.»

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