Biologische Vielfalt in Europa geht weiter drastisch zurück

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Deutschland,

Wie ist es um den Zustand der Natur in der EU bestellt? Ein umfassender Bericht kommt zu einem eindeutigen Urteil: Gut sieht es nicht aus.

Umweltverschmutzung, intensive Land- und Forstwirtschaft, Ausbreitung der Wohngebiete: Die Natur in Europa ist bedroht. Foto: Armin Weigel/dpa
Umweltverschmutzung, intensive Land- und Forstwirtschaft, Ausbreitung der Wohngebiete: Die Natur in Europa ist bedroht. Foto: Armin Weigel/dpa - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Die Natur in Europa ist bedroht.

Und das gleich von mehreren Seiten. Intensive Land- und Forstwirtschaft verdrängen viele Tier- und Pflanzenarten. Eine Ausbreitung der Siedlungsgebiete zerstört spezielle Lebensräume wie Dünenlandschaften und felsige Gebiete. Und Umweltverschmutzung tut ihr Übriges.

Dadurch geht die biologische Vielfalt weiter drastisch zurück, wie ein am Montag in Kopenhagen vorgestellter Bericht der EU-Umweltagentur EEA zeigt.

Demnach treten die Mitgliedstaaten beim Schutz der Biodiversität trotz einiger Bemühungen und manchen Verbesserungen insgesamt weiter auf der Stelle. Der Erhaltungszustand der meisten geschützten Arten und Lebensräume sei weiterhin unzureichend, während bei vielen die Bestände nach wie vor zurückgingen. Eine Mehrheit der EU-weit geschützten Arten wie der Würgfalke und der Rotfisch sowie Lebensräume wie Grünflächen und Dünen stünden somit vor einer ungewissen Zukunft, wenn sich nicht schnell etwas ändere. Naturschutzrichtlinien und Umweltvorschriften würden dabei nicht ausreichend umgesetzt. Auf lokaler Ebene gebe es jedoch Lichtblicke.

«Unsere Beurteilung zeigt, dass der Schutz der Gesundheit und Widerstandsfähigkeit der Natur in Europa sowie das Wohlergehen der Menschen fundamentale Veränderungen erfordert», erklärte EEA-Generaldirektor Hans Bruyninckx. Es müsse sich grundlegend etwas dabei ändern, wie Lebensmittel hergestellt und konsumiert, Wälder verwaltet und genutzt sowie Städte gebaut würden. Diese Bemühungen müssten unter anderem mit einer besseren Um- und Durchsetzung des Naturschutzes und zunehmend ambitionierteren Klimaschutzmassnahmen vor allem im Transport- und Energiewesen einhergehen.

Der Bericht ist nach EEA-Angaben die umfassendste Datensammlung, die jemals in Europa zum Zustand der Natur unternommen wurde. Er umfasst den Zeitraum 2013 bis 2018 und basiert auf Angaben der EU-Länder zum Arten- und Lebensraumschutz in ihren Gebieten. EU-Kommission und EEA erstellen daraus dann ein grosses Gesamtbild.

Deutschland habe wie andere EU-Staaten mehr Naturräume und Arten in mangelhafter bis schlechter als in guter Verfassung gemeldet, sagte EEA-Experte Carlos De Oliveira Romao. Bei rund einem Drittel der Brutvögel gehe dort der Bestand zurück, während sich der Anteil der stabilen Bestände von 24 auf 31 Prozent erhöht habe. Besserungen sehe man etwa bei den Singschwänen, Kleibern und Graugänsen. Zwei Projekte hätten zudem dabei geholfen, den Maifisch im Rhein erfolgreich wiedereinzuführen.

Das ist eines von mehreren lokalen Positivbeispielen, auf die die EEA hinweist. Diese müssten aber in Anzahl und Umfang deutlich gesteigert werden, um die Gesamtsituation umzukehren, sagte Romao. Dass sich in den vergangenen sechs Jahren im Grunde nicht wirklich etwas getan habe, seien schlechte Nachrichten. «Es gibt keine signifikanten Verbesserungen. Das sind beunruhigende Neuigkeiten», sagte er.

Christoph Heinrich, Vorstand Naturschutz beim WWF Deutschland, sagte mit Blick auf den Rückgang einiger Tierarten: «Das sind historische Tiefstände. Diese Woche hat die Bundesregierung als EU-Ratsvorsitzende aber auch die Chance, eine historische Trendwende einzuleiten. Denn mit Entscheidungen zur Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP), der EU-Biodiversitätsstrategie und Fangquoten für die Ostsee werden die Weichen für die nächsten Jahre gestellt.»

Einige Arten und Lebensräume in der EU können laut EEA-Bericht ihren Erhaltungszustand soweit halten, während der Grossteil weiter einen mangelhaften bis schlechten Status aufweist. Bei den 463 Wildvogelarten in der EU, die unter die Vogelschutzrichtlinie 2009/147/EG fallen, ist der Anteil in gutem Zustand um fünf auf 47 Prozent gesunken und der in mangelhaftem oder schlechtem Zustand um sieben auf 39 Prozent gestiegen.

Die Verfassung von 63 Prozent der fast 1400 Arten, die unter die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie 92/43/EEC fallen, ist demnach mangelhaft oder schlecht. Bei den Lebensräumen sieht es noch düsterer aus: Dort ist der Status für 81 Prozent nicht ausreichend und nur für 15 Prozent gut. Wälder weisen dabei noch die besten Trends auf, während sich diese bei Wiesen, Dünen und Mooren stark verschlechtern.

Auch in Brüssel ist man sich der Lage bewusst. «Diese Bewertung des Zustands der Natur zeigt sehr deutlich, dass wir weiter unser unverzichtbares Lebenserhaltungssystem verlieren», erklärte EU-Umweltkommissar Virginijus Sinkevicius. Die Verpflichtungen aus der neuen Biodiversitätsstrategie müssten dringend erfüllt werden, um diesen Rückgang umzukehren - «zum Nutzen von Natur, Menschen, Klima und der Wirtschaft», so Sinkevicius.

Die EU-Kommission um ihre Chefin Ursula von der Leyen hat im Mai die neue EU-Biodiversitätsstrategie 2030 ausgegeben. Mindestens 30 Prozent der Land- und Meeresfläche in der EU sollen demnach bis 2030 unter Schutz gestellt werden - derzeit sind es im Rahmen des europäischen Natura-2000-Netzwerks rund 18 Prozent. Solche Flächen dürfen zwar genutzt werden, aber mit Beschränkungen. Ein Drittel der Schutzfläche soll besonders geschützt und quasi naturbelassen werden. Geschädigte Flächen sollen erhalten und wiederhergestellt werden.

Die Ziele der Biodiversitätsstrategie 2020 werden derweil verfehlt. «Wir sind daran gescheitert, unser erklärtes Ziel zu erreichen, den Verlust der Biodiversität in der EU zu stoppen und umzukehren», sagte Micheal O'Briain, der stellvertretende Leiter der für den Naturschutz zuständigen Kommissionsabteilung. Aber es gebe Hoffnung: Die neue EU-Kommission habe von Tag eins an klargemacht, dass man es sowohl mit einer Klima- als auch mit einer Biodiversitätskrise zu tun habe.

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