Brexit: Dutzende Briten-Abgeordnete schmeissen hin
Das Wichtigste in Kürze
- In der Nacht auf Mittwoch wird das britische Parlament aufgelöst.
- Dies aufgrund der vorgezogenen Neuwahlen am 12. Dezember.
- Rund 60 Abgeordnete wollen jedoch nicht mehr antreten.
Am 12. Dezember wählt Grossbritannien ein neues Parlament. Die Abgeordneten hatten letzte Woche den vorgezogenen Neuwahlen zugestimmt. Darum wird das Parlament in der Nacht auf Mittwoch aufgelöst.
Schon im Vorfeld ist allerdings klar: Auffällig viele Parlamentarier verzichten freiwillig auf ihren Sitz. Knapp 60 Abgeordnete haben von der britischen Politik die Nase voll, das sind fast zehn Prozent des gesamten Unterhauses.
Die Ursache dafür ist schnell eruiert. Das Seilziehen um den Brexit und seine Begleiterscheinungen schlagen viele Politiker in die Flucht.
Brexit treibt Politiker in die Flucht
Der Brexit beherrscht den politischen Diskurs in Grossbritannien seit der Abstimmung im Sommer 2016. Drei Jahre später sind die Briten immer noch in der EU. Dieses jahrelange Seilziehen ohne zählbares Ergebnis hat viele Parlamentarier desillusioniert.
«Ich bin froh, wenn ich hier rauskomme», wird beispielsweise der abtretende Labour-Abgeordnete Jim Fitzpatrick im «Spiegel» zitiert.
Andererseits ist da die Personalie Boris Johnson. Der Premierminister hatte den Kampf um den EU-Austritt derart verbittert geführt, dass er gemässigte Tories erst brüskierte. Und dann kurzerhand aus der Partei schmiss. 21 «Abweichler» mussten die Fraktion unter Johnson verlassen, zehn davon kehren der Politik jetzt endgültig den Rücken.
Wegen «Brexit-Boris» hört auch sein jüngerer Bruder Jo Johnson auf. Der Staatssekretär will sein Mandat diesen Winter aufgeben. Dies, weil er «zwischen Familienloyalität und dem nationalen Interesse hin- und hergerissen sei», schrieb er auf Twitter.
Den harten Brexit-Kurs seines Bruders konnte der Pro-Europäer nicht mittragen.
Toxisches Klima
Ebenfalls zu schaffen macht vielen Politikern ausserdem das zunehmend toxische Klima ausserhalb des Parlaments. Besonders Frauen werden in Grossbritannien gemäss der «Financial Times» immer öfters Ziel von Hass-Kommentaren und Drohungen.
Schockierend war beispielsweise die Studie der Universität Cardiff, welche in England durchgeführt wurde. 71 Prozent der Brexit-Befürworter glauben, Gewalt gegen Abgeordnete sei «ein Preis, den es sich zu bezahlen lohnt» für den EU-Austritt. Bei den Pro-Europäer waren es 58 Prozent.
Kein Wunder also, fürchten immer mehr Abgeordnete wegen ihres Berufes um Leib und Leben. Liberaldemokratin Heidi Allen beispielsweise schrieb in einem Brief an ihre Wähler: «Ich habe es geliebt, ihre Abgeordnete zu sein, aber ich kann nicht mehr angesichts der Übergriffe in mein Privatleben.»
Dieses Klima des Hasses schlägt sich auch in den Statistiken nieder: 2018 hatten sich die Straftaten gegen Politiker im Vergleich zum Vorjahr mehr als verdoppelt. Unvergessen bleibt auch der Mord an Labour-Frau Jo Cox auf offener Strasse. «Britain First!» soll der 52-jährige Täter geschrien haben.
Wenig beeindruckt durch die Hass-Zunahme und das Gezerre um den Brexit zeigt sich jedoch Lindsay Hoyle. Dieser wurde frisch zum neuen «Mr. Speaker» und Nachfolger des berüchtigten John Bercow gewählt. Ob er für mehr «Ordeeeer» in- und ausserhalb des Parlaments sorgen kann, wird sich zeigen.