Briten kämpfen mit «Epidemie des Ladendiebstahls»
Britische Medien sprechen bereits vom «Jahr der Ladendiebe». Die Zahl der Vorfälle ist gewaltig gestiegen. Kritisiert werden besonders die geringen Strafen.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Zahl der Ladendiebstähle nimmt in Grossbritannien stark zu.
- Die Branche macht in erster Linie gestiegene Lebenskosten dafür verantwortlich.
- Ladenbesitzer kritisieren die laxen Strafen und die geringe Polizeipräsenz.
«Es gibt Mütter, die Waren in Kinderwagen stecken, es gibt Rentner, Kinder und Teenager auf Rädern.» Das erzählt Benedict Selvaratnam, dem ein kleiner Supermarkt in Südlondon gehört, der BBC.
Bis zu neun Ladendiebstähle am Tag habe er gezählt. «Wir sehen einen grossen Anstieg bei organisierten Banden, die auf Bestellung stehlen, ob Kaffee, Honig oder Fleisch.» Die Diebe würden immer dreister und aggressiver – und sie kämen aus allen Gesellschaftsschichten.
Diebstähle um rund ein Viertel gestiegen
Neben den kleineren Geschäften beklagen auch die grossen Einzelhandelsketten in Grossbritannien eine deutliche Zunahme von Diebstählen.
Die Chefin des Kaufhausbetreibers John Lewis, Sharon White, sprach jüngst von einer «Epidemie». Die Zeitung «Mirror» nannte 2023 «das Jahr der Ladendiebe».
Gemeldete Diebstähle in England und Wales sind um rund ein Viertel (26 Prozent) gestiegen. Das zeigen Zahlen des Handelsverbands British Retail Consortium (BRC). Den Schaden schätzt der BRC auf fast eine Milliarde Pfund (1,11 Milliarden Franken) im Jahr.
Die Branche macht in erster Linie gestiegene Lebenskosten für die zunehmenden Diebstähle verantwortlich. Wurden zuvor in erster Linie teure Gegenstände gestohlen, würden nun häufiger Alltagsprodukte geklaut.
Doch auch moderne Phänomene spielen eine Rolle. So gebe es immer mehr Jugendliche, die sich beim Stehlen filmen und die Clips auf Plattformen wie Tiktok hochladen. Andere ahmen das nach. «Es ist schlimmer als je zuvor», sagt Handelsexperte Scott Dixon dem «Mirror».
Auch Attacken gegen Mitarbeiter nehmen zu
Beleidigungen und sogar Attacken von Mitarbeitern nähmen zu, zitierte die Nachrichtenagentur PA den NFRN-Verbandschef Muntazir Dipot. Dutzende Eigentümer hätten zuletzt aufgegeben, vor allem Frauen würden sich nicht mehr trauen, allein in den Shops zu arbeiten.
Besitzer Selvaratnam hat eine Glasscheibe an seiner Theke anbringen lassen. Aber das reiche immer noch nicht aus. «Wir brauchen eine stärkere Polizeipräsenz, vor allem abends», sagt er.
Kleine Läden und grosse Unternehmen klagen gleichermassen aber auch über laxe Strafen. Wer Ware im Wert von maximal 200 Pfund stiehlt, kommt in aller Regel mit einer geringen Geldstrafe davon. «Ladendiebstahl wurde faktisch entkriminalisiert», sagt Handelsexperte Dixon.
