Die Komödie am Kurfürstendamm, die nun 100 Jahre alt wird, blickt auf eine turbulente Geschichte und eine lange Liste deutscher Stars zurück.
Katharina Thalbach
Die Schauspielerin Katharina Thalbach als Privatdetektiv Hercule Poirot steht bei einer Fotoprobe zu «Mord im Orientexpress». - Jörg Carstensen/dpa

Der verstorbene Entertainer Harald Juhnke war Dauergast, Schauspielerin Katharina Thalbach gehört zum Stammpersonal. Und auch der «König des Boulevards» Wolfgang Spier (1920 – 2011), Katja Riemann, Christoph Maria Herbst oder Maria Furtwängler feierten hier grosse Erfolge. Die Liste an deutschen Stars, die auf den traditionsreichen Ku'damm-Bühnen im Berliner Westen standen, könnte man lange noch so fortführen.

Eine der zwei Bühnen – die Komödie am Kurfürstendamm – wird nun 100 Jahre alt. Sie blickt auf eine turbulente Geschichte zurück. Hier erfindet in den 1920er Jahren der grosse Regisseur Max Reinhardt das deutsche Unterhaltungstheater, welches es bis dahin nur in London und New York gibt.

An der bekanntesten Flanier- und Einkaufsmeile Berlins übernimmt Reinhardt zwei benachbarte Bühnen: das Theater und die Komödie am Kurfürstendamm. Nach der Komödien-Eröffnung am 1. November 1924 schreibt das «Berliner Tageblatt und Handelszeitung»: «Es war ein Fest, von allen mitgefeiert, die ihm beiwohnten.»

Neubau von Komödie entsteht am Ku'damm

Seit den 1950er Jahren wird die Berliner Institution durchgehend von Familie Woelffer betrieben – mittlerweile in der dritten Generation von Martin Woelffer. 2018 ein herber Verlust: Nach einem jahrelangen Ringen werden die beiden historischen Bühnen abgerissen. Dort entsteht aktuell ein neuer Gebäudekomplex, in der auch die Komödie Platz haben wird und voraussichtlich 2026 wieder spielen kann.

Solange ist Woelffer auf Ausweichspielstätten angewiesen – momentan im Theater am Potsdamer Platz. Dort lädt die Komödie am 3. November zu einer Jubiläumsveranstaltung ein. Er sei sehr stolz darauf, was seine Familie geschafft habe, sagt Woelffer. «Gleichzeitig würde ich noch viel lieber am Ku'damm sein und dort feiern.» Er sei froh, wenn das Team «wieder in die alte Heimat» zurückkehren könne.

Stars, die man aus dem Fernsehen oder dem Kino kennt

Die Komödie steht für grossstädtisches, gehobenes Unterhaltungstheater und zieht auch heute noch Touristen an. Nicht zuletzt wegen der vielen Schauspieler auf den Ku'damm-Bühnen, die das Publikum sonst aus dem Fernsehen oder dem Kino kennt. Dazu gehörte früher zum Beispiel Wolfgang Spier («Ein verrücktes Paar»). Die Bühnen bedeuteten dem verstorbenen Theaterpionier viel. «Meine ganze Karriere hat hier anfangen.»

Auf den Bühnen waren auch Katja Riemann in Stücken wie Edward Albees Klassiker «Wer hat Angst vor Virginia Woolf?» zu sehen oder Christoph Maria Herbst und Bastian Pastewka Anfang der 2000er in «Männerhort».

Thalbach: Komödie hat eine Wahnsinnstradition

Katharina Thalbach ist seit vielen Jahren als Schauspielerin und Regisseurin für die Komödie aktiv, unter anderem mit ihrer Tochter Anna Thalbach. Aktuell spielt die 70-Jährige in ihrer Inszenierung von Agatha Christies «Mord im Orientexpress» den Privatdetektiv Hercule Poirot.

Trotz des «beschämenden Abrisses, ein sehr unschönes Kapitel in der Berliner Geschichte», habe die Bühne durch die Familie Woelffer eine «Wahnsinnstradition», sagt Thalbach der Deutschen Presse-Agentur (dpa). «Die Berliner Komödie war – wie auch die Komödien in Köln, München und Hamburg – immer die Bühne von Schauspielern».

Theaterchef: Grosse Namen kein Erfolgsgarant

Man sei wegen der Schauspieler hingegangen. «Das ist bis heute noch so. Ich finde, das ist etwas sehr Lobenswertes.» Zudem lade der Ku'damm als Boulevard zum Schlendern ein. «Man sieht dann wie im Kino: Da läuft was Schönes, mit tollen Schauspielern, nichts wie hin.»

Woelffer sieht das ähnlich. «Grosse Namen machen es leichter, das Publikum anzulocken.» Das sei aber nicht alles. Wenn ein Stück gut sei, könne es auch von allein funktionieren. Was braucht es dafür?

«Es funktioniert eigentlich immer, wenn man genau jetzt die Zeit trifft, was die Leute aktuell berührt und bewegt. Das weiss man vorher leider nicht ganz genau», so der Theatermacher. Dem Haus sei es gelungen, die jüngeren Generationen anzusprechen, indem man gesellschaftsrelevante, ernstere Themen in die Stücke integriert habe.

Dadurch habe man auch eine neue Generation von Stars gewinnen können. Mit einer Popversion von Jane Austens Literaturklassiker «Stolz und Vorurteil» hat zum Beispiel Anna Maria Mühe (39, «Sophia, der Tod und ich») im vergangenen Jahr in der Komödie gespielt.

Schwere Themen mit Humor und ohne erhobenen Zeigefinger

Offensichtlich, so das Fachmagazin «Die Deutsche Bühne» in seiner März-Ausgabe, gebe es momentan genug Publikum für das gewachsene Unterhaltungstheater. «Jetzt, nachdem Corona Theater und Publikum nicht nur auseinander-, sondern auch wieder zusammengeführt hat, gibt es so viel Unterhaltungstheater wie noch nie auf den Bühnen der Staats-, Stadt- und Landesbühnen.» Selbst die Schauspielhäuser aus grossen Städten hätten es gelegentlich im Angebot.

Boulevardtheater sei Grossstadttheater, sagt Woelffer. «Es ist für Menschen gemacht, die bereit sind, sich unterhalten zu lassen und sich Themen anzuschauen, die sie selbst angehen. Sie lachen über sich selbst und nehmen alles nicht ganz so schwer.» Schwere Themen mit Humor auf die Bühne zu bringen, ohne den Zeigefinger zu heben oder sie zu veralbern, sei extrem wichtig.

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