Bulgarien: Wahlsieger Borissow vor schwieriger Regierungsbildung
Die bürgerliche Partei von Bulgariens Ministerpräsident Boiko Borissow bleibt nach den Wahlen in dem Land am Sonntag stärkste politische Kraft, steht aber vor komplizierten Verhandlungen für ein neues Regierungsbündnis. Seine Partei GERB erhielt laut amtlichem Zwischenergebnis von Montag fast 26 Prozent der Stimmen. Daneben dürften fünf andere Parteien und Bewegungen, darunter drei Protestparteien, ins Parlament einziehen.
Das Wichtigste in Kürze
- Borissow bot ihnen die Bildung einer gemeinsamen Expertenregierung an.
«Ich schlage euch Frieden vor - lasst uns Experten einsetzen und bis Dezember die Verantwortung übernehmen, die (Corona-)Pandemie zu bewältigen, damit es wieder aufwärts geht», sagte Borissow in der Nacht zu Montag. Er erläuterte nicht näher, welche Experten berufen werden könnten.
Die Sozialisten lehnten am Montag Borissows Angebot ab, sich gemeinsam mit der GERB an einer Expertenregierung zu beteiligen: «Unsere grundsätzliche Haltung ist eine Anti-GERB-Koalition», sagte Parteichefin Kornelia Ninowa.
Der 61 Jahre alte Borissow regiert das ärmste EU-Land mit einer Unterbrechung seit 2009. Anhänger der Sozialisten und der Protestparteien forderten im vergangenen Sommer seinen Rücktritt wegen «korrupter Amtsführung und Verbindungen zu Oligarchen». Sein bisheriger Koalitionspartner, die nationalistische WMRO, scheitert wohl an der Vier-Prozent-Hürde.
Die Protestpartei «Es gibt so ein Volk» (ITN) von TV-Moderator und Kabarettist Slawi Trifonow wurde den vorläufigen Zahlen zufolge mit gut 18 Prozent überraschend zweitstärkste Partei. Trifonow gehört zu den prominentesten Corona-Leugnern in Bulgarien, ist aber zurzeit unter Quarantäne wegen Covid-19-Symptomen. Ein Stellvertreter von Trifonow verkündete in dessen Fernsehsender, dass die ITN nicht mit den «Parteien des Status quo» - also Borissows GERB, den Sozialisten sowie der Partei der türkischen Minderheit DPS - koalieren werde.
Die aus den früheren Kommunisten hervorgegangenen Sozialisten dürften mit knapp 15 Prozent auf Platz drei landen. Ins neue Parlament ziehen noch die Türkenpartei DPS (9,5 Prozent) sowie die konservativ-liberal-grüne Protestkoalition Demokratisches Bulgarien DB (fast 10 Prozent) und «Richte dich auf! Mafiosi raus!» (knapp 5 Prozent).
Die Bildung der neuen Regierung in Sofia dürfte recht kompliziert werden, weil die Programme der teils verfeindeten Parteien kaum Berührungspunkte haben - abgesehen davon, dass die Sozialisten und die drei Protestparteien Borissow absetzen und die Korruption effektiver bekämpfen wollen. Die populistische Partei «Es gibt so ein Volk» hat überhaupt kein Programm - sie will das politische System verändern. Daher ist es fraglich, ob Borissow nun eine vierte Regierung schmieden kann. Neuwahlen sind nicht ausgeschlossen.