Bundesweit erste Geburten nach Gebärmutter-Transplantation

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Deutschland,

Für viele Frauen ist der Wunsch nach einem eigenen Kind riesig. In Tübingen sind Ärzte einen weiten Weg gegangen, um das für zwei Patientinnen möglich zu machen: Sie transplantierten ihnen eine Gebärmutter. Das Vorgehen ist auch umstritten.

Pressekonferenz am Universitätsklinikum Tübingen zur zweiten Geburt nach einer Gebärmuttertransplantation. Foto: Fabian Sommer
Pressekonferenz am Universitätsklinikum Tübingen zur zweiten Geburt nach einer Gebärmuttertransplantation. Foto: Fabian Sommer - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Erstmals haben Mediziner in Deutschland Frauen ihren Kinderwunsch mit Hilfe einer gespendeten Gebärmutter erfüllt.

«Wir haben tatsächlich inzwischen zwei gesunde Kinder nach den ersten beiden Gebärmutter-Transplantationen in Deutschland auf die Welt gebracht», sagte die Gynäkologin Sara Brucker in Tübingen. Im März und Mai dieses Jahres wurden sie dort am Universitätsklinikum per Kaiserschnitt geboren. Im Oktober 2016 hatten Tübinger Mediziner um Brucker erstmals in Deutschland eine Gebärmutter erfolgreich transplantiert.

Beide Frauen waren ohne Scheide und Gebärmutter zu Welt gekommen - sie litten an dem sogenannten Mayer-Rokitansky-Küster-Hauser-Syndrom. «Es ist eine seltene genitale Fehlbildung, die bei ungefähr einem von 4500 weiblichen Neugeborenen vorkommt», erklärte Brucker. Jedes Jahr seien das bundesweit 60 bis 80 Mädchen. Sie konnten bislang kein eigenes Kind in Deutschland bekommen, denn Leihmutterschaft ist verboten.

Nach dem Anlegen einer Scheide im Jugendalter wurde den heute 25- und 26-Jahre alten Frauen in Tübingen die Gebärmutter (Uterus) transplantiert - Spenderinnen waren in beiden Fällen ihre Mütter. Der Eingriff dauerte insgesamt jeweils rund zwölf Stunden. Vor allem die Entnahme sei aufwendig: Die zu- und wegführenden Gefässe für die Gebärmutter dürften nicht verletzt werden. «Diese Gefässe finden sich tief im Becken und sie müssen freigelegt werden. Das ist Millimeter-Arbeit», so die Gynäkologin.

Nach sechs Wochen hatten die beiden Frauen Gewissheit, dass die transplantierten Organe auch funktionsfähig sind. «Zum ersten Mal in ihrem Leben bekamen sie ihre Periode.» Etwa ein Jahr später wurde den Frauen ihre eigene befruchtete Eizelle eingesetzt.

Im März 2019 hatten die Tübinger Ärzte den endgültigen Beweis für ihre erfolgreiche Arbeit: Ein gesundes Kind wurde geboren - das Geschlecht und andere Details wurden auf Wunsch der Mutter nicht verraten. 18 Abteilungen und mehr als 40 Experten waren an dem gesamten Projekt beteiligt.

Bezahlt haben dafür nach Angaben des Klinikums die Krankenkassen der beiden Frauen. Die Kosten konnte es aber nicht genau beziffern. Die Zahl müsste aber deutlich unter 50.000 Euro liegen, so der Ärztliche Direktor der Universitätsklinik für Transplantationschirurgie, Alfred Königsrainer. Teil des Forschungsprojekts sei es auch, herauszufinden, wie teuer eine solche Operation sei und wie und wann die Krankenkassen die Kosten übernehmen.

Es wäre nur logisch, dass auch diese Behandlung in Zukunft von den Krankenkassen übernommen wird, so der Leiter des Transplantationszentrums im Universitätskrankenhaus Gent (Belgien), Xavier Rogiers. «Sonst würde diese therapeutische Möglichkeit nur den Reichen vorbehalten bleiben.» Er mahnte auch: «Aus ethischer Sicht ist es wichtig, ein Gleichgewicht zu finden zwischen den Risiken für den Lebendspender - sie sind vermutlich sehr gering aber, nicht Null - und der gebotenen Chance der Empfängerin, ein eigenes Kind zu bekommen.» Auch die Vor- und Nachteile der Alternativen, also Leihmutterschaft oder Adoption, müssten abgewogen werden.

Claudia Bozzaro vom Institut für Ethik und Geschichte der Medizin an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg bezeichnete die Transplantation als nicht-verhältnismässiges Mittel, einer Frau eine Schwangerschaft zu ermöglichen. «Bei einer Uterus-Transplantation wird eine gesunde Spenderin einer äusserst invasiven Massnahme - nämlich einer mehrstündigen Operation unterzogen - die für sie keinen gesundheitlichen Nutzen hat.» Da es nicht darum gehe, das Leben der Empfängerin zu retten, sei die ethische Legitimation für eine Lebendspende fraglich.

Der Leiter des Instituts für Medizin-Ethik in Tübingen entgegnete, den Betroffenen sei es «unter normalen Umständen verwehrt, was nicht für alle Frauen, aber doch für viele Frauen, etwas ganz zentrales in ihrem Leben ist - nämlich, dass sie selbst ein Kind gebären. Und sie leiden darunter.» Er glaube, dass die Medizin damit in ihrem genuinen Aufgabenbereich bleibe: «Kranken Menschen, die leiden, zu helfen.»

Bisher gab es in Tübingen drei erfolgreiche Uterus-Transplantationen. Bei einer ist bislang noch keine Geburt erfolgt. Eine vierte scheiterte, weil die entnommene Gebärmutter nicht eingesetzt werden konnte. Dass die Transplantation machbar ist und dass damit Kinder geboren werden können, hatte der schwedische Gynäkologe Mats Brännström zum ersten Mal der Welt gezeigt. 2014 brachte in Göteborg eine Frau mit einer gespendeten Gebärmutter ein gesundes Baby auf die Welt. Nach Angaben der waren es dort das 15. und 17. Kind.

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