Coronavirus: Serbien und Ungarn zünden den Impfturbo
Ungarn und Serbien haben sich im Kampf gegen das Coronavirus an die Spitze der europäischen Impfkampagne katapultiert. Wie ist das möglich?
Das Wichtigste in Kürze
- Ungarn und Serbien impfen deutlich schneller als die EU-Staaten und die Schweiz.
- Das schaffen die Länder dank einer eigenen Impfstrategie.
- Diese ist erfolgreich, aber auch mit Risiken behaftet.
Die Impfkampagnen in der Schweiz und ihren Nachbarländern kommen nur mühselig voran. Zulassungen bleiben aus, die Hersteller kürzen ihre Lieferungen – der Impfstoff gegen das Coronavirus ist nach wie vor Mangelware.
Ganz anders in Serbien. Nicht nur, dass sich dort bereits jeder Bürger impfen lassen kann – selbst Ausländer werden in Belgrad geimpft. Und trotzdem hat das Land mehr als genügend Impfstoff. Ähnlich sieht es in Ungarn aus: Die beiden osteuropäischen Länder haben sich an die Spitze der europäischen Impfkampagne katapultiert, gleich hinter Impf-Vorreiter Grossbritannien.
Freunde Ungarns in West und Ost
Wie die Schweiz ringt auch die EU um jede zugelassene Impfstoff-Dosis. Die Mengen der vier in der EU zugelassenen Impfstoffe – Pfizer, Moderna, Astrazeneca und Johnson & Johnson – bleiben beschränkt.
EU-Mitgliedsstaat Ungarn ging das zu langsam. Die Regierung Viktor Orbans hat in den vergangenen Jahren die Beziehungen mit Russland intensiviert. Obwohl die EU-Arzneimittelbehörde EMA bis heute keine Zulassung erteilt hat, wurde Russlands Sputnik-V-Vakzin in Ungarn bereits im Januar zugelassen. Die Not-Zulassung erfolgte dabei ohne ausführliche Prüfung einer Arzneimittelbehörde.
Kurz darauf erhielt auch das chinesische Vakzin gegen das Coronavirus von Sinopharm in Ungarn die Not-Zulassung. Inzwischen glänzt der Staat mit fast 60 verabreichten Impfdosen pro 100 Einwohner.
Serbien heisst Impf-Tourismus gut
Ende März sorgte Serbien mit einem unerwarteten Schritt für Aufsehen: Der Balkanstaat erlaubte die Impfung auch für ausländische Gäste im Land. Seitdem kann jeder, der über eine serbische Telefonnummer verfügt, sich für die Impfung registrieren. Dabei spielt es keine Rolle, ob man die Registrierung aus dem Ausland vornimmt.
Jeder, egal ob Serbe oder nicht, kann sich in Serbien kostenlos gegen das Coronavirus impfen lassen. Nach der Registrierung kann man sich den Impfstoff selbst aussuchen. Auf der Liste stehen neben Moderna, Astrazeneca und Pfizer ebenfalls Sputnik V und Sinopharm.
Während andere Balkanländer sich auf das Covax-Impfprogramm für ärmere Länder verlassen, setzt Serbien auf die gleichen Impfstoffe wie Ungarn. Doch in Ländern wie Montenegro und Nordmazedonien wurden noch weniger als 10 Dosen pro 100 Einwohner verabreicht. In Serbien sind es bereits 50 Dosen pro 100 Einwohner.
Mehr Impfstoff gegen das Coronavirus, als benötigt
Serbien habe bereits vor einem Jahr so viel Impfstoff wie möglich bestellt, berichtet der «Weltspiegel». Das Land hat sich mit mehr Impfstoff eingedeckt, als es für die relativ impfkritische Bevölkerung benötigt. Inzwischen profitieren auch Nachbarländer im ehemaligen Jugoslavien von Impfstoff-Geschenken aus Serbien.
«Wenn du helfen kannst, dann tust du es», erklärt Serbiens Premierministerin Ana Brnabic gegenüber dem «Weltspiegel». Völlig selbstlos dürfte der Einsatz dennoch nicht sein – für Serbien wird der Impfstoff zum Beziehungskitt. Im Juni sollen die ersten in Serbien produzierten Sputnik-V-Dosen ausgeliefert werden, berichtet «BalkanInsight». Davon dürften wie bereits zuvor auch Nachbarstaaten profitieren.
Erfolg mit Fragezeichen
Wie Ungarn hat sich EU-Mitgliedskandidat Serbien bewusst gegen einen einzigen Impf-Deal mit der EU respektive Covax entschieden. Die hohen Impfquoten bestätigen den Erfolg der Strategie – doch es bleiben Zweifel. Experten kreiden an, dass es zu Sputnik V und Sinopharm noch zu wenig belastbare Daten für eine abschliessende Beurteilung gibt.
Anders als im Rest Europas wird das Risiko in Ungarn und Serbien in Kauf genommen. Schnell, aber dafür mit Risiko impfen oder langsam mit geprüften Impfstoffen: Die politische Entscheidung für den richtigen Umgang mit dem Coronavirus bleibt delikat.