Das bedeutet der Vatikan-Segen für Homosexuelle
Der Vatikan will künftig die Segnung von schwulen und lesbischen Paaren erlauben. So richtig Freude kommt bei Homosexuellen deswegen aber nicht auf.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Segnung von homosexuellen Paaren soll im Katholizismus neu erlaubt sein.
- Eine Schwulen-Organisation sieht darin nur einen kleinen Schritt.
- Die Römisch-Katholische Zentralkonferenz spricht von einem Kompromiss.
Am Montag sorgte der Vatikan mit einer unerwarteten Entscheidung für Aufsehen. Homosexuelle Paare sollen in der katholischen Kirche neu gesegnet werden dürfen.
Wie nimmt man diese Neuigkeit hierzulande wahr?
Bei der Schwulen-Organisation Pink Cross freut man sich nicht so richtig über den Entscheid von Papst Franziskus. Geschäftsleiter Roman Heggli sagt gegenüber Nau.ch: «Freuen wäre übertrieben, denn es handelt sich nur um einen Mini-Schritt.»
Man müsse auch sehen, was sonst noch im Dokument stehe. «Da ist noch so viel Diskriminierung drin, dass einem die Haare zu Berge stehen.»
Beispielsweise werde das Sakrament der Ehe den Homosexuellen immer noch vorenthalten. Und gleichgeschlechtlicher Sex sei weiterhin eine Sünde. Heggli sagt ironisch: «Toll, wir dürfen jetzt gesegnet keinen Sex haben.»
In diesem Sinne sei das Schreiben «überhaupt keine Revolution». Ob dadurch die Kirche für Schwule und Lesben an Attraktivität gewinnt, ist laut Heggli fraglich.
Homosexuellen-Segnung ist Kompromiss
Zufriedener ist die Römisch-Katholische Zentralkonferenz der Schweiz. Generalsekretär Urs Brosi sagt: «Die RKZ freut sich über den Fortschritt, der nun auf weltkirchlicher Ebene erzielt wurde.»
Dieser werde die Seelsorgepraxis in der Schweiz zwar nicht grundlegend verändern, so Brosi: «Aber für viele Teile der Welt, in denen Homophobie leider im Alltag virulent ist, kann dies ein Beitrag zur Entspannung sein.»
Das Schreiben aus Rom ist laut der RKZ als eine Art Kompromiss zwischen West und Ost zu sehen. Viele westliche Kirchenvertreterinnen und Kirchenvertreter hätten schon im Februar an einer europäischen Kirchenversammlung eine Öffnung für überfällig gehalten. Aber: «Vertreter aus den osteuropäischen Ländern blockierten jeden pinken Gedanken.»
Die neue Regelung sei demnach eine «Brücke zwischen den Lagern». Papst Franziskus habe eine «salomonische Lösung» gesucht.
Der Kompromiss besteht darin, dass die Lehre zwar unverändert bleibt. Homosexuelle Lebensformen werden demnach nicht aufgewertet und als sittlich gut verstanden. Aber die Bedeutung des Segens werde entlastet, sagt Brosi: «Segnen heisst nicht, dass der Paarbeziehung eine moralische Legitimität verliehen wird, sondern bloss, dass alle Menschen den Segen Gottes empfangen sollen.»
Die Konsequenz: «Kein Bischof kann mehr einen Priester bestrafen, der ein gleichgeschlechtliches Paar segnet. Solange es beim Segensgestus bleibt und nicht hochzeitsähnlich gefeiert wird.»
Differenz zwischen Vatikan und dem Rest
Der Geschäftsleiter von Pink Cross sieht indes einen Unterschied zwischen der Basis der katholischen Kirche und den Entscheidungsträgern im Vatikan. Er erklärt: «In der Basis wird die Offenheit längst gelebt. Segnungen gibt es schon länger.»
Heggli erhofft sich deshalb, dass die Basis weiterhin Druck ausübt, um weitere Öffnungen zu ermöglichen. Rom sollte auf die pragmatischen Stimmen hören, fordert er.
Es wäre aus der Sicht von Heggli sehr wichtig, wenn die katholische Kirche toleranter werden würde. So sollte laut ihm das Ehe-Sakrament allen zugänglich sein. «Es gibt viele Homosexuelle, die religiös sind. Weitere Öffnungen wären ein wichtiges Zeichen für diese gläubigen Menschen», hält er fest.