Deutschland bleibt steiniges Pflaster für Start-ups
Das Wichtigste in Kürze
- Allen politischen Bekenntnissen zum Trotz bleibt Deutschland ein steiniges Pflaster für Start-ups.
Hauptproblem bleibt die Finanzierung, wobei nach Einschätzung mehrerer Branchenvertreter und Fachleute eine paradoxe Situation entstanden ist.
Der Staat fördert zwar mittlerweile die Gründung von Start-ups. Doch heimische Geldgeber, die Jungunternehmen nach der Gründungsphase weiteres Wachstum ermöglichen, fehlen nach wie vor. So geraten erfolgversprechende deutsche Start-ups dann häufig in Abhängigkeit ausländischer Investoren - mit der Gefahr, dass die Technologie über kurz oder lang abwandert.
«Bei den Investoren gibt es nach wie vor ein Riesenloch im mittleren Bereich», sagt Carsten Rudolph, Geschäftsführer der Förderagentur BayStartup in München. «Die ersten ein, zwei Millionen Euro sind für die meisten Start-ups kein Problem. Die Investorenszene für die Frühphase hat sich erfreulich gut entwickelt», sagte Rudolph der Deutschen Presse-Agentur. «Schwierig wird es ab 10 Millionen Euro aufwärts, wenn es für ein Start-up darum geht, die Welt zu erobern.» In Deutschland gebe es zu wenige Risikokapitalfonds für diesen Bereich. «Und je weiter Sie nach Norden kommen, desto dünner wird das Ganze», sagt Rudolph. «Da gibt es innerhalb von Deutschland riesengrosse Unterschiede.»
Die Folge: Start-ups, die wachsen wollen, sind meist auf ausländische Geldgeber angewiesen, wie Paul Wolter sagt, Sprecher des Bundesverbands Deutsche Start-ups. «Das Wachstumskapital ist ein Engpass.» Das wird auch ausserhalb der Start-up-Szene bestätigt: Geldgeber für die Wachstumsphase seien sehr oft ausländische Investoren, sagt Manfred Gössl, Hauptgeschäftsführer des Bayerischen Industrie- und Handelskammertags (BIHK). «Es sind viele deutsche Start-ups keine deutschen Start-ups mehr.»
So gerät in der Anfangsphase mit deutschen Staatszuschüssen entwickelte Technologie schlussendlich unter ausländische Kontrolle. Und das wiederum führt nach Angaben der Fachleute häufig dazu, dass die Technologie ins Ausland abfliesst. «Wenn sich ein Start-up nach China verkaufen muss, ist das volkswirtschaftlich nicht unbedingt sinnvoll», sagt Rudolph.
Zudem zeigt der regionale Blick, dass grosse Teile Deutschlands eine Start-up-Steppe sind, in der wenig wächst. Laut «Deutschem Startup Monitor» - einer jährlichen Studie des Bundesverbands und der Unternehmensberatung PwC - werden etwa drei Viertel aller Start-ups in sechs Bundesländern gegründet: NRW, Berlin, Bayern, Baden-Württemberg, Niedersachsen und Hamburg. Im restlichen Bundesgebiet - vor allem in Ostdeutschland - tut sich sehr wenig.
Und finanziell tun sich Gründer ausserhalb Bayerns und Berlin offensichtlich besonders schwer: An Start-ups in diesen beiden Bundesländern sind mehr als 40 Prozent der Förderzusagen des High-Tech-Gründerfonds (HTGF) geflossen, wie dessen regionaler Auswertung zu entnehmen. Der HTGF ist ein Kooperationsprojekt von Bundesregierung und Privatwirtschaft und laut Bundeswirtschaftsministerium grösster Frühphaseninvestor für junge Start-ups in Deutschland.
Banken müssen bei der Gründungsfinanzierung vorsichtiger sein als Risikokapitalgeber: «Es liegt in der Natur der Sache, dass das Ausfallrisiko bei Unternehmensgründungen höher ist als bei etablierten Unternehmen, die es seit zwanzig Jahren gibt», sagt Herbert Maier, Leiter Unternehmenskunden Süd bei der Commerzbank.
Nicht umsonst lautet eine deutsche Übersetzung des englischen Begriffs Venture Capital «Wagniskapital». Banken sind rechtlich verpflichtet, bei der Kreditvergabe keine unüberschaubaren Wagnisse einzugehen.
Banken hätten bei der Gründungsfinanzierung stets «mit einer mehr oder weniger grossen Blackbox zu tun», sagt Maier dazu. Die Kompetenz der Bankberater ist nach Worten des Bankmanagers «extrem wichtig, sei es um auf Risiken hinzuweisen oder Tipps für den Businessplan zu geben».
Ein wesentlicher Grund für den Mangel heimischer Geldgeber ist nach Einschätzung der bayerischen Industrie- und Handelskammern das deutsche Steuerrecht: Viele Start-ups scheitern, dementsprechend setzen auch viele Investoren Geld in den Sand. BIHK-Hauptgeschäftsführer Gössl fordert daher bessere Abschreibungsmöglichkeiten für Risikokapital: «Wagnisfinanzierung braucht steuerliche Unterstützung.»