Deutschland will nach Wirecard-Skandal Kontrolle verbessern
Nach dem Bilanzskandal beim Zahlungsdienstleister Wirecard will die deutsche Bundesregierung die Kontrolle der Unternehmensbilanzen nachbessern.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Bundesregierung will nach dem Wirecard-Skandal die Kontrolle der Bilanzen nachbessern.
- Wirecard gab vergangene Woche zu, dass 1,9 Milliarden Euro in der Bilanz fehlen.
Die deutsche Bundesregierung will nach dem Bilanzskandal beim Dax-Konzern Wirecard die Kontrolle der Unternehmensbilanzen nachbessern. Ein «sachkundiges, wirkungsvolles und effizientes Bilanzkontrollverfahren» sei wichtig, um einen funktionsfähigen und transparenten Kapitalmarkt zu gewährleisten. Dies sagte ein Sprecher des Justizministeriums am Montag.
Zusammen mit dem deutschen Finanzministerium werde das Ausmass des Reformbedarfs analysiert. In einem ersten Schritt soll der Vertrag mit der Deutschen Prüfstelle für Rechnungslegung gekündigt werden. Die Kündigung werde gegenwärtig vorbereitet, so der Sprecher des Justizressorts. Darüber hatte zuerst die Zeitung «Bild am Sonntag» berichtet.
Untersuchungsausschuss oder Sonderermittler
Die Partei «Die Linke» brachte einen Untersuchungsausschuss des deutschen Bundestags oder einen Sonderermittler ins Spiel. Ihr Fraktionschef Dietmar Bartsch sagte: «Die Linksfraktion wäre dazu bereit, wenn es möglich ist, mit diesen Instrumenten vor der Bundestagswahl sinnvolle Erkenntnisse zu gewinnen. Und dafür zu sorgen, dass ein Skandal wie bei Wirecard nicht noch einmal passiert.»
Für die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses sind die Stimmen eines Viertel aller Abgeordneten nötig. Linke-Fraktionsvize Fabio De Masi sagte, der Wirecard-Skandal sei eine Blamage für den Finanzplatz Deutschland. «Bei der Finanzaufsicht darf deshalb kein Stein auf dem anderen bleiben.»
Die Bundesregierung ist wegen der mutmasslich über Jahre unentdeckten Bilanzmanipulationen bei Wirecard unter Druck. Die EU-Kommission lässt den Fall von der europäischen Finanzaufsicht untersuchen. Die Kontrolle von Unternehmensbilanzen ist zwar eine Aufgabe der Finanzaufsicht Bafin – aber erst in der zweiten Stufe. Primär zuständig ist die privatrechtlich organisierte Deutsche Prüfstelle für Rechnungslegung (DPR).
Unklare Zukunft für Wirecard
Bei Wirecard fehlen insgesamt 1,9 Milliarden Euro, die der Konzern in seiner Jahresbilanz 2019 auf der Habenseite verbuchen wollte. Dies ist das Ergebnis wahrscheinlich nicht existierender Luftgeschäfte mit Subunternehmern in Südostasien und im Mittleren Osten. Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EY, die der Wirecard-Bilanz das Testat verweigerte, geht von umfassendem Betrug internationalen Massstabs aus. Soweit bekannt, ermittelt die Münchner Staatsanwaltschaft gegen vier ehemalige und aktive Wirecard-Vorstände.
Das Unternehmen mit seinen weltweit 5800 Mitarbeitern hatte am Freitag Insolvenz beantragt und befindet sich in einem ungewissen Schwebezustand. Der vom Münchner Amtsgericht als vorläufiger Insolvenzverwalter bestellte Anwalt Michael Jaffé arbeitet derzeit am Insolvenzgutachten. Dieses Papier wird eine wichtige Rolle bei der Entscheidung spielen, ob Wirecard saniert werden soll. Ansonsten wird der Betrieb eingestellt und abgewickelt.