Die Psychologie des Schenkens: «Geld geht immer»
Das Wichtigste in Kürze
- Mit Kosmetikartikeln und Massagegutscheinen ist man irgendwie durch.
Konzertkarten gab es die letzten Jahre schon und mit dem Massenkonsum an Weihnachten steht man ohnehin eher auf Kriegsfuss. Spätestens dann heisst es in vorweihnachtlichen Gesprächen: «Wir schenken uns diesmal nichts».
Ein Konzept, von dem Philosoph und Buchautor nur abraten kann. Denn Geschenke seien mehr als nur die blosse Übergabe von Gegenständen. «Vielmehr entsteht ein inniges Zusammensein, eine vertraute Atmosphäre, die den Prozess des Schenkens umrahmt», sagt Schmid.
Nach den coronabedingten Einschränkungen der vergangenen Monate scheinen die Deutschen 2020 bei Weihnachtsgeschenken für ihre Lieben offenbar besonders grosszügig. Durchschnittlich planten sie Ausgaben von 500 Euro pro Kopf und damit deutlich mehr als in früheren Jahren (2019: 475, 2018: 472). Das geht aus einer Weihnachtsumfrage der privaten hervor.
Preis wirkt sich nicht auf Freude aus
Dabei muss eine Überraschung nicht zwingend sein, bestätigen Studien der US-amerikanischen Forscher Francis Flynn und Gabrielle Adams. Sie untersuchten, ob und wie sich der Preis eines Geschenks auf die Freude der Beschenkten auswirkte. Das Ergebnis: Egal ob etwa CD oder iPod, die Freude der Beschenkten veränderte sich nicht.
«Das überrascht mich nicht», meint Schmid. Denn ein gutes Geschenk sei ein . «Alles andere zeugt nur von Ignoranz und fehlender Achtsamkeit», sagt der 67-Jährige. Daher rät Schmid, Präsente auf die Vorlieben und individuellen Wünsche des Empfängers abzustimmen.
Studien geben ihm Recht. Forschungen an der Harvard University zeigen, dass sich Beschenkte deutlich mehr über ein Präsent freuen, wenn sie es sich ausdrücklich zuvor gewünscht haben. Der Grund: Sie betrachten es als Ausdruck besonderer Mühe und Aufmerksamkeit.
Noch beliebter als liebevoll ausgesuchte Überraschungen scheinen nur Geldgeschenke zu sein. 2019 wollte mehr als jeder zweite Verbraucher (56 Prozent) auf diese Weise der Gefahr entgehen, beim Kauf danebenzugreifen. Das geht aus einer repräsentativen Umfrage im Auftrag der Unternehmensberatung hervor. «Geld geht immer - vor allem bei Kindern und Jugendlichen», sagt Schmid. Denn so habe man selbst die Freiheit, zu entscheiden, was man toll finde und was nicht.
Eigene Wünsche nicht auf andere übertragen
Oftmals sei diese Freiheit bei Geschenken nicht gegeben - insbesondere bei sogenannten Nötigungsgeschenken wie Haustieren. «Damit wird der Empfänger genötigt, über Jahre für das Tier da zu sein», so Schmid. Man dürfe nie die eigenen Wünsche auf andere projizieren. Der Sinn des Schenkens sei schliesslich, Mitmenschen etwas Gutes zu tun und nicht sich selbst.
Das gelingt laut Schmid aber immer weniger Menschen. «Aufmerksame Gaben werden immer seltener. Wir schenken, weil wir müssen», sagt Schmid, der das Buch «Vom Schenken und beschenkt werden» geschrieben hat. Jedes Geschenk erzwinge ein Gegengeschenk. Der Philosoph bezeichnet den Prozess als «gegenseitiges Hochgeschaukele», um Beziehungen zu pflegen. Die Aufmerksamkeit bleibe jedoch immer mehr auf der Strecke.
Um das zu vermeiden, sei es wichtig, sich frühzeitig um die passenden Präsente kümmern. Bloss nicht in den klassischen Weihnachtsstress verfallen. Denn Zeitnot beim Geschenkesuchen gehe nie gut aus, sagt Schmid. «Dann kauft man eh das Falsche - und am besten noch im Fünfer-Pack.»