EU beantragt Geldbusse im Justizstreit mit Polen
Im Streit um die Justizreform in Polen sind Finanzsanktionen der EU gegen das Land näher gerückt: Die EU-Kommission beantragte am Dienstag ein Bussgeld gegen Polen beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg.
Das Wichtigste in Kürze
- Von der Leyen pocht auf «unabhängige und faire» Justiz.
«Die Justizsysteme in der Europäischen Union müssen unabhängig und fair sein», forderte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Die Regierung in Warschau warf der EU einen «ungesetzlichen Angriff» vor.
Der stellvertretende polnische Justizminister Sebastian Kaleta kritisierte die Brüsseler Entscheidung auf dem Kurzbotschaftendienst Twitter scharf. «Die Europäische Kommission blockiert auf ungesetzliche Weise Geldmittel für Polen und beantragt Geldbussen», schrieb er. Dies sei ein «Angriff» auf Warschau.
Die EU streitet seit Jahren mit Polen über seine Justizreform. Stein des Anstosses ist in diesem Fall eine 2018 geschaffene Disziplinarkammer am Obersten Gericht des Landes. Die EU sieht darin ein Mittel zur unbotmässigen Einflussnahme der polnischen Regierung auf die Justiz.
Das umstrittene Gremium ist für Disziplinarverfahren gegen polnische Richter zuständig und kann diese auch suspendieren. Die rechtsnationalistische Regierungspartei PiS gibt vor, so gegen Korruption und anderes Fehlverhalten vorzugehen.
Der EuGH hatte Mitte Juli vorläufig geurteilt, die Disziplinarkammer müsse ihre Arbeit einstellen, was die polnische Regierung bisher nicht befolgte. Regierungschef Mateusz Morawiecki lässt vom Verfassungsgericht sogar prüfen, ob EU-Recht überhaupt Vorrang vor nationalem Recht hat - damit stellt Warschau ein Grundprinzip der Gemeinschaft in Frage. Die EU-Kommission stellt deshalb ihrerseits die Freigabe von Milliardenhilfen aus dem Corona-Hilfsfonds an Polen in Frage.
Bevor sich der Europäische Gerichtshof zu dem Fall erneut äussert, könnte es nach Angaben aus Justizkreisen sechs bis zehn Monate dauern. Die Richter könnten tägliche Geldstrafen gegen Polen verhängen, die so lange fällig werden, bis Warschau sich der Rechtsprechung beugt. Über die fälligen Summen entscheidet das Gericht.
Aus dem Europaparlament kam Zustimmung für das Vorgehen gegen Polen: Die Sozialdemokraten nannten den Schritt «überfällig» und beantragten für kommende Woche eine Plenardebatte. Es sei allerdings «traurig, dass wir das Geld-Argument nutzen müssen, um die PiS davon abzuhalten, den Rechtsstaat auszuhebeln», schrieb die Fraktion auf Twitter.
In der Europäischen Volkspartei (EVP), der CDU und CSU angehören, wurde die Warnung vor einem polnischen EU-Austritt laut. «Wir fürchten, dass die polnische Regierung auf dem Weg zum Polexit ist», erklärte der EVP-Fraktionssprecher für Justizfragen, Jeroen Lenaers.
Die Bundestagsabgeordnete Franziska Brantner (Grüne) rief die Bundesregierung auf, «klar Haltung» zu zeigen und «nicht mit Demokratiezerstörern auf Kuschelkurs» zu gehen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wird am Samstag in Polen erwartet.
Wegen Rechtsstaatsdefiziten läuft gegen Polen sowie Ungarn bereits ein EU-Strafverfahren nach Artikel 7 EU-Vertrag. Es kann bis zum Entzug von Stimmrechten auf EU-Ebene führen. Die Mitgliedstaaten schreckten bisher aber vor solch weitreichenden Sanktionen zurück. Die EU streitet mit Polen daneben auch über die Pressefreiheit und das Vorgehen gegen sexuelle Minderheiten wie Schwule und Lesben.