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EU-Prognose: Corona-Rezession noch tiefer als befürchtet

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Belgien,

Auch wenn die Wirtschaft wieder langsam anläuft: Der Schaden der Pandemie war noch grösser als gedacht. So hält es die EU-Kommission in ihrer Sommerprognose fest. Und sieht noch weitere Risiken.

Der ökonomische Schaden der Pandemie war noch grösser als gedacht, sagt Paolo Gentiloni, EU-Kommissar für Wirtschaft. Foto: Xavier Lejeune/Commission Européenne/dpa
Der ökonomische Schaden der Pandemie war noch grösser als gedacht, sagt Paolo Gentiloni, EU-Kommissar für Wirtschaft. Foto: Xavier Lejeune/Commission Européenne/dpa - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Der historische wirtschaftliche Absturz wegen Corona ist in Europa noch tiefer als gedacht - aber womöglich geht es jetzt langsam wieder aufwärts.

Es war diese doppelte Botschaft, die EU-Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni mit seiner jüngsten Konjunkturprognose setzte. Deutschland steht inmitten des Desasters nach jetzigem Stand etwas besser da als andere EU-Länder, vor allem als die Krisenstaaten Italien, Spanien und Frankreich. Aber über allem schwebt die Frage: Wie geht es weiter mit der Pandemie?

DIE ZAHLEN

Schon im Mai hatte die EU-Kommission für dieses Jahr die schwerste Rezession in der Geschichte der Europäischen Union vorhergesagt. Damals hiess es, die Wirtschaftskraft der 19 Staaten der Eurozone werde dieses Jahr um 7,7 Prozent schrumpfen, die aller 27 EU-Staaten um 7,4 Prozent. Schon das war beispiellos. Doch jetzt fällt die Jahresprognose noch düsterer aus: ein Minus von 8,7 Prozent für die Eurozone und 8,3 Prozent für die EU.

Dass die Zahlen noch schlechter sind, begründet die Kommission damit, dass die Corona-Auflagen, die die Wirtschaft wochenlang fast völlig lahmlegten, in kleineren Schritten gelockert werden als im Mai angenommen. Das schlug vor allem im zweiten Quartal voll durch. Die Bilanz der ersten sechs Monate fällt insgesamt katastrophal aus: Für die Eurozone werde ein Rückgang des Bruttoinlandsprodukts im ersten Halbjahr um 17 Prozent angenommen, sagte Gentiloni.

Der Italiener sprach aber auch von einer «vorsichtigen Erholung», die jetzt beginne. Erste Daten für Mai und Juni deuten aus Sicht der Kommission darauf hin, dass das Schlimmste vorbei sein könnte. Erwartet wird, dass die Erholung im zweiten Halbjahr an Fahrt gewinnt.

Für nächstes Jahr wird dann auch wieder kräftiges Wachstum angenommen: in der Eurozone 6,1 Prozent und in der EU als Ganzes 5,8 Prozent. Allerdings sind auch diese Werte schlechter als im Mai, als die Kommission 6,3 Prozent und 6,1 Prozent annahm. Und klar ist auch, dass der Niedergang 2020 im nächsten Jahr nicht wettgemacht wird.

MIT WUMMS: WIE SICH DEUTSCHLAND SCHLÄGT

Deutschland steht mit einem erwarteten Minus von 6,3 Prozent 2020 etwas besser da als der EU-Schnitt und kann laut Prognose nächstes Jahr mit 5,3 Prozent Wachstum viel Boden gutmachen. Das deutsche Konjunkturpaket werde Einkommensverluste, Stellenstreichungen und Betriebspleiten wohl begrenzen, sagte Gentiloni.

Bundesfinanzminister Olaf Scholz sieht das genauso und bemüht die Zuversicht. «Der Wumms ist schon spürbar», sagte der SPD-Politiker dem Nachrichtenportal «The Pioneer». «Ich habe das Gefühl, dass jeder merkt, dass sich die wirtschaftlichen Zahlen langsam wieder verbessern.» Im Mai stieg die Industrieproduktion zum Vormonat um 7,8 Prozent, wie das Statistische Bundesamt errechnete. Analysten hatten jedoch einen stärkeren Zuwachs erwartet.

Diese Wende sehnen auch die EU-Partner herbei, doch stecken sie nach der Prognose der EU-Kommission noch viel tiefer im Schlamassel als die Bundesrepublik. In Italien dürfte diesen Zahlen zufolge 2020 ein Rückgang des Bruttoinlandsprodukts um 11,2 Prozent zu Buche stehen, in Spanien 10,9 Prozent und in Frankreich 10,6 Prozent. Alle drei Länder werden demnach 2021 nur einen Teil der Einbussen ausgleichen.

Italiens Ministerpräsident Giuseppe Conte tröstete sich damit, dass seine Regierung die schlechten Zahlen bereits eingepreist hat. «Wir sollten uns vom Rückgang des Bruttoinlandsprodukts nicht bange machen lassen, das wurde vielfach erwartet», sagte Conte. Italien solle sich lieber darauf konzentrieren, wieder auf die Beine zu kommen.

DIE POLITISCHE BOTSCHAFT

Helfen könnte dabei das riesige europäische Konjunktur- und Investitionsprogramm, das Kommissionschefin Ursula von der Leyen vorgeschlagen hat. 750 Milliarden Euro, finanziert über gemeinsame Schulden im Namen der EU, gezielt vergeben zum Grossteil als Zuschüsse an wirtschaftlich besonders schwer getroffene EU-Staaten - allen voran Italien. Die mögliche Wirkung des Pakets wurde in die Prognose nicht eingerechnet, denn es ist noch nicht beschlossen, sondern sehr umstritten. Ende nächster Woche befasst sich ein Gipfel damit.

Gentiloni nahm die düstere Vorhersage zum Anlass, Tempo anzumahnen. Eine schnelle Umsetzung eines solchen Programms würde den Ausblick aufhellen und das wirtschaftliche Vertrauen schnell stärken, meinte der italienische Kommissar.

Der haushaltspolitischen Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Eckhardt Rehberg, legte den Akzent jedoch weniger auf Schnelligkeit als auf die mit den Hilfen verbundenen Bedingungen. «Wir müssen den geplanten Wiederaufbaufonds strikt auf Wachstum, Wettbewerbsfähigkeit und Reformen in Europa ausrichten», sagte Rehberg der Deutschen Presse-Agentur. «Es reicht nicht, unkonditioniert Geld zur Verfügung zu stellen.» Nötig seien starke wirtschaftliche Impulse mit klarer Zukunftsperspektive. Das Geld dürfe nicht versickern.

EINE UNSICHERE PROGNOSE

Ob das EU-Konjunkturpaket gelingt oder nicht, ist bei weitem nicht der einzige Unsicherheitsfaktor. Die EU-Kommission nahm für ihre Prognose an, dass keine zweite Corona-Infektionswelle kommt. Aber wie sagte Gentiloni? «Das Ausmass und die Dauer der Pandemie bleiben weitgehend unbekannt.» Und die Annahmen könnten zu optimistisch sein.

Das gilt übrigens auch für das andere grosse Risiko in diesem Jahr: den Ausgang der EU-Verhandlungen mit Grossbritannien über ein Handelsabkommen. Die Prognose legt zugrunde, dass die Handelsbeziehungen nach dem Jahresende so bleiben wie jetzt. Dabei ist Grossbritannien wild entschlossen, 2021 aus dem Binnenmarkt und der Zollunion auszuscheiden. Damit wird in jedem Fall alles komplizierter, selbst wenn noch ein Handelspakt gelingt.

© dpa-infocom, dpa:200707-99-697555/7

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