Hunderte Festnahmen bei Frauen-Protest gegen Lukaschenko in Belarus
Erneut versammelten sich Frauen in Minsk zu einem Protest gegen Lukaschenko. Wie am Samstag vor einer Woche kam es einmal mehr zu zahlreichen Festnahmen.
Das Wichtigste in Kürze
- Am Samstag Demonstrierten erneut Frauen in Minsk gegen Staatschef Alexander Lukaschenko.
- Zuvor hat es Gewaltandrohungen seitens der belarussischen Polizei gegeben.
- Viele Frauen wurden bei den Demonstrationen festgenommen.
Trotz Gewaltandrohung der Polizei in Belarus (Weissrussland) haben sich Frauen in Minsk zu einem Protestmarsch gegen Staatschef Alexander Lukaschenko versammelt.
«Wir vergessen nicht! Wir vergeben nicht!» und «Lukaschenko W Awtosak» – zu Deutsch: «Lukaschenko, in den Gefangenentransporter», skandierten die Demonstrantinnen am Samstag am zentralen Komarowski-Markt.
An mehreren Stellen standen Gefangenentransporter bereit. Autofahrer hupten den Frauen solidarisch zu, wie ein Reporter der Nachrichtenagentur dpa berichtete.
Nach Angaben von Menschenrechtlern kam es zu hunderten Festnahmen. Das Bürgerrechtsportal «spring96.org» veröffentlichte am Samstag die Namen von mehr als 200 Frauen. Sie seien bei der Aktion in der Hauptstadt Minsk in Gewahrsam gekommen.
Die Zahl war etwa doppelt so hoch wie bei den Protesten am Samstag vor einer Woche. Damals waren maskierte Uniformierte das erste Mal überhaupt mit brutaler Gewalt gegen die friedlichen Demonstrantinnen vorgegangen.
«Marsch der weiblichen Solidarität»
Die Frauen schrien laut und riefen «Posor!» («Schande!»). Auch die 73 Jahre alte Nina Baginskaja, wurde in einen Transporter gezwungen.
Sie ist eine Veteranin der Protestbewegung und eine seit ihrem Kampf gegen die Kommunisten zu Sowjetzeiten bekannte Dissidentin.
Der «Marsch der weiblichen Solidarität», wie er hiess, war am Samstag zunächst ohne Polizeieinsatz durch mehrere Strassen gezogen. «Lang lebe Belarus!», riefen Frauen, während sie die historischen weiss-rot-weissen Fahnen trugen.
Teils spannten sie Regenschirme in den Farben der Revolution auf, weil Sicherheitskräfte die Fahnen immer wieder beschlagnahmen. Die Dissidentin Baginskaja verlor am Samstag ihre inzwischen siebte Fahne – sie näht die Teile selbst.
Demonstrationen gegen «Europas letzte Diktatur»
Die Demonstrantinnen fordern Neuwahlen ohne Lukaschenko, die Freilassung aller politischen Gefangenen und die strafrechtliche Verfolgung der Polizeigewalt. Auch in anderen Städten des Landes waren die Frauen aufgerufen, friedlich gegen «Europas letzte Diktatur» zu demonstrieren. Das teilten die Organisatorinnen von Girl Power Belarus in ihrem Nachrichtenkanal bei Telegram mit.
Svetlana Tichanowskaja lobte aus ihrem Exil in der EU den Mut der Frauen. «Sie gehen, obwohl ihnen ständig Angst gemacht und Druck auf sie ausgeübt wird», teilte die 38-Jährige mit.
Kinder als politisches Druckmittel
Tichanowskaja warf dem «Regime» Lukaschenkos einen neuen Tiefpunkt vor, in dem es nun auch Kinder instrumentalisiere. Die Behörden hatten den sechsjährigen Sohn der Minsker Aktivistin Jelena Lasartschik am Freitag in ein Heim gesteckt.
Hunderte Menschen forderten am Samstag vor der Einrichtung, den Eltern ihren Sohn zurückzugeben. Lasartschik verliess mit dem Kind am Vormittag das Heim – unter «Hurra»-Rufen und Applaus der Menge. Der Fall war auch Thema bei dem Frauen-Protest am Samstag.
Schockiert reagierte der polnische Regierungschef Mateusz Morawiecki. Wieder nutze die Führung des Landes Kinder als «politische Geiseln».
Die Praxis ist bekannt aus kommunistischen Zeiten der Sowjetunion. Damals wurde so versucht, den politischen Willen von Frauen zu brechen. «Diese Barbarei muss aufhören», schrieb der polnische Politiker bei Twitter.
Tichanowskaja: Entschlossenheit der Frauen wird unterschätzt
Im Wahlkampf hatte auch Tichanowskaja berichtet, dass ihr gedroht worden sei, ihre Kinder zu verlieren. Sie hatte Sohn und Tochter daraufhin in das benachbarte EU-Nachbarland Litauen bringen lassen. Auch ihre Mitstreiterin Viktoria Zepkalo hatte ihre Kinder auf diese Weise vor dem Zugriff der Behörden geschützt.
«Sie versuchen, uns vor die Wahl zu stellen: entweder den eigenen Kindern treu zu sein oder dem Land», schrieb Tichanowskaja in einer Mitteilung. Aber solche Absichten liefen ins Leere, weil die Entschlossenheit der Frauen unterschätzt werde.
«Es gibt nichts Stärkeres als eine Mutter, die um die Zukunft ihres Kindes, ihrer Familie und ihres Landes kämpft.» Tichanowskaja hatte so ihre Kandidatur bei der Präsidentenwahl begründet: Sie wolle bis zum Schluss für ein Leben in Freiheit für ihre Kinder in Belarus kämpfen.