Frankreichs Eisenbahner drohen mit Streiks über Weihnachten
Viele Franzosen fragen sich, ob sie an den Feiertagen ihre Familien mit der Bahn besuchen können. Sicher ist das nicht. Die Gewerkschaften machen weiter mobil gegen die Rentenform - Ende offen.
Das Wichtigste in Kürze
- Die massiven Streiks im Nah- und Fernverkehr gegen die Rentenreform in Frankreich könnten sich über Weihnachten hinziehen.
Es werde keine «Waffenruhe» während der Festtage geben, wenn die Regierung nicht wieder zu Sinnen komme, drohte der Eisenbahngewerkschafter Laurent Brun.
Die Gewerkschaften laufen Sturm gegen die von der Regierung vorgestellten Rentenpläne - auch moderate Gewerkschaften rufen zum Protest auf. Am Donnerstag gingen im ganzen Land wieder Menschen gegen die Reform auf die Strasse. In Marseille oder Le Havre wurden die Häfen blockiert. Im Fernverkehr gab es erneut massive Zugausfälle, die Pariser Metro wurde weiter bestreikt.
Die Ausstände dauern nun bereits eine Woche an. In Paris liegen die Nerven langsam blank. Zu den Stosszeiten fahren einige wenige Züge; die Bahnhöfe und Züge sind dann völlig überfüllt. Bei der Staatsbahn SNCF legten am Donnerstag knapp 72 Prozent der Lokführer die Arbeit nieder. Am Vortag hatte Premierminister Édouard Philippe die Details der Reform vorgestellt. Er hielt zwar an den Grundprinzipien fest, schwächte die Reform aber ab. So sollen für Mitarbeiter von Polizei oder Feuerwehr Sonderregeln beim Renteneintrittsalter erhalten bleiben.
Der Streik gehe weiter, weil die Regierung zu stur sei, sagte Brun. Es gebe solange keinen Dialog, so lange eine Reform verfolgt werde, die niemand haben wolle. Laurent Berger vom moderateren Gewerkschaftsbund CFDT rief erneut zum Protest am kommenden Dienstag auf. Seine Gewerkschaft hatte sich zuletzt eher zurückgehalten.
Ihn stört nun besonders die geplante Einführung eines sogenannten Gleichgewichtsalters von 64 Jahren. Philippe hatte angekündigt, dass zwar das legale Renteneintrittsalter von 62 Jahren erhalten bleiben soll. Die Menschen werden aber angehalten, bis 64 Jahre zu arbeiten, damit ihnen keine Einbussen bei den Bezügen drohen. Kritiker sehen eine De-facto-Anhebung des Renteneintrittsalters. Die Regierung streckte nach der massiven Kritik an ihren Plänen die Hand zu den Gewerkschaften aus. Finanzminister Bruno Le Maire sprach im Fernsehen von Verhandlungsspielraum.
In Lyon, Nantes, Marseille, Nizza oder Paris gab es am Donnerstag wieder massive Proteste gegen die Pläne der Regierung. In der nordfranzösischen Stadt Le Havre blockierten Berichten zufolge Tausende den Hafen. Über der Stadt war eine grosse Rauchwolke zu sehen, zwei Schulen wurden nach Angaben der Hafenpolizei vorsorglich evakuiert. Ähnliche Bilder gab es aus dem Süden. Auch in Marseille blockierten Demonstranten die Zugänge zum Hafen. Barrieren wurden angezündet. In der Nähe von Nantes wurde ein Einkaufszentrum besetzt.
Mitarbeiter der SNCF und der Pariser Verkehrsbetriebe RATP profitieren derzeit von zahlreichen Sonderregelungen. Gerechtfertigt wird dies mit teils extremen Temperaturen, Schichtarbeit, starker körperlicher Anstrengung und Arbeit an Feiertagen. Viele der Privilegien sollen entfallen, Philippe machte aber ein grosses Zugeständnis an die Eisenbahner: Für viele von ihnen sollen die neuen Regeln erst ab den Geburtsjahrgängen 1980 oder 1985 gelten. Die Eisenbahngewerkschaften stemmen sich weiter gegen die Vorhaben der Regierung.
Die Rentenreform war ein grosses Wahlversprechen von Präsident Emmanuel Macron. Die Mitte-Regierung will ein einheitliches Rentensystem schaffen und die Zersplitterung in 42 Einzelsysteme beenden. Nach den Ankündigungen des Premiers sind die Franzosen gespalten. So befürworten 50 Prozent die vorgestellten Pläne, wie eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Elabe ermittelt hat. 49 Prozent der Befragten sind dagegen, der Rest hat keine Meinung. Die Mehrheit der Franzosen (54 Prozent) unterstützt nach wie vor die Mobilisierung gegen die Rentenreform, aber die Zustimmung sinkt. Gut die Hälfte (51 Prozent) fordert, dass jetzt Schluss ist.