Grosse Wirtschaftsmächte warnen vor Facebook-Geld Libra
Facebook-Chef Zuckerberg prescht wieder einmal vor - und will eine eigene Internetwährung schaffen. In Hauptstädten wie Berlin, Paris oder Washington gibt es massive Bedenken. Bei der Besteuerung von Internetgiganten liegen die G7-Länder dagegen nicht auf einer Linie.
Das Wichtigste in Kürze
- Deutschland, Frankreich, die USA und andere grosse Wirtschaftsmächte warnen vor einer digitalen Währung des Internetriesen Facebook.
Die Finanzminister und Zentralbanker der G7-Industriestaaten hätten alle «schwere Bedenken» gegen die Libra, sagte Finanzminister Olaf Scholz (SPD) beim Treffen der G7-Finanzminister und Notenbankchefs am Mittwoch in Chantilly bei Paris. «Ich bin fest davon überzeugt, dass jetzt schnell gehandelt werden muss», forderte der Vizekanzler.
Facebook-Gründer Mark Zuckerberg hatte im Juni die Einführung der eigenen Internet-Währung angekündigt. Mit stabilen Währungen wie US-Dollar oder Euro soll man sie ab 2020 kaufen können. Mit dieser virtuellen Währung könnten dann Einkäufe im Internet bezahlt werden. Ausserdem richtet sie sich an Menschen, die über Ländergrenzen hinweg Geld überweisen wollen und dafür bislang hohe Gebühren zahlen.
«Libra ist in aller Munde», so Scholz über die Digitalwährung. Zwar müssten die Bankensysteme sicherstellen, dass transnationale Zahlungen billiger werden und schneller gehen. «Aber das ist mit den Tätigkeiten der heutigen Zentralbanken möglich.» Man müsse nicht eine neue zusätzliche Währung etablieren, die der demokratischen Kontrolle nicht unterliege.
Sein französischer Amtskollege Bruno Le Maire äusserte ebenfalls starke Vorbehalte. «Wir wollen nicht, dass Privatunternehmen die Möglichkeit haben, eine souveräne Währung zu schaffen.» Er betonte, dass es strenger Regelungen und Verpflichtungen bedürfe. Libra erfülle die notwendigen Anforderungen derzeit nicht.
Finanzminister Scholz betonte, bis nicht alles geklärt sei, dürfe Libra nicht an den Start gehen. «Ich bin sicher, dass wir mit den grossen Währungen - dem Dollar und dem Euro - ein stabiles Finanzsystem haben.» Auch sein US-Kollege Steven Mnuchin hatte sich zuvor kritisch zur geplanten Kryptowährung geäussert.
Ein Streitpunkt zwischen den Wirtschaftsmächten ist hingegen die stärkere Besteuerung von Internetgiganten wie Google, Amazon, Facebook oder Apple. Frankreich hatte zuletzt im Alleingang die Digitalsteuer auf nationaler Ebene eingeführt. Die US-Regierung kündigte daraufhin an, Gegenmassnahmen wie Zölle und Handelsrestriktionen zu prüfen. Viele der von der Steuer betroffenen Unternehmen haben ihren Firmensitz in den USA. Le Maire betonte, trotz der Sanktionsdrohungen an der Steuer festzuhalten. Er wisse, dass die Verhandlungen mit den USA schwierig werden würden.
Scholz hielt sich eher zurück: Es gebe einen Konsens, dass man in der Frage der Unternehmensbesteuerung Fortschritte haben wolle. «Und alle wollen das auch erreichen, dass wir im nächsten Jahr einen gemeinsamen Regelungsrahmen haben.»
Die wichtigsten Industrie- und Schwellenländer (G20) hatten sich bereits vor einigen Wochen in Japan darauf verständigt, dass bis Ende kommenden Jahres eine globale Mindeststeuer festgelegt werden soll. Sie soll das Problem lösen, dass grosse Internet-Unternehmen mit den geltenden Steuerregeln kaum erfasst werden. Diese Mindeststeuer soll aber auch für andere Grosskonzerne gelten.
Auf EU-Ebene war die Einführung einer Digitalsteuer für Online-Riesen im März gescheitert. Deutschland hatte sich in der Vergangenheit bei dem Reizthema häufig zurückhaltend gezeigt - auch aus Furcht vor Vergeltungsmassnahmen von US-Präsident Donald Trump gegen deutsche Autokonzerne.
«Finanzminister Olaf Scholz hat Frankreich aus Hasenfüssigkeit die europäische Solidarität bei der Digitalsteuer verweigert. Er fürchtete US-Strafzölle auf Deutschlands übermässige Exportüberschüsse», erklärte der Fraktionsvize der Linken im Bundestag, Fabio De Masi. Es führe kein Weg daran vorbei, dass Konzerne die Milliarden-Profite, die sie in der EU erwirtschaften, auch in der EU versteuern. «Klare Kante ist die einzige Sprache, die Trump versteht.»
Trump hat eine ganze Reihe von Handelskonflikten vom Zaun gebrochen, darunter auch einen mit der Europäischen Union. Mitte Mai hatte der US-Präsident angedrohte Sonderzölle auf Auto-Einfuhren aus der EU - die besonders deutsche Hersteller treffen würden - für ein halbes Jahr ausgesetzt. In dieser Zeit soll über ein Handelsabkommen verhandelt werden.
Am Rande des Ministertreffens nördlich von Paris ging es zudem darum, wer künftig den Internationalen Währungsfonds (IWF) mit Sitz in Washington führt. IWF-Chefin Christine Lagarde soll an die Spitze der Europäischen Zentralbank (EZB) wechseln. Die EU-Finanzminister sind sich einig, dass ihr Amt wieder von einem Europäer besetzt werden soll. Scholz rechnet damit, dass die Europäer sehr schnell einen gemeinsamen Anwärter vorgeschlagen. Es gebe eine Reihe von Kandidaten mit sehr guten Qualifikationen - Namen nannte er jedoch nicht. «Anfang September müssen die Vorschläge auf dem Tisch liegen.»
In den Hauptstädten kursieren erste Namen. Luxemburgs Finanzminister Pierre Gramegna hatte den früheren Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem als eine gute Besetzung bezeichnet. Auch dem Chef der britischen Notenbank, Mark Carney, werden Chancen eingeräumt.
Der G7-Gruppe der wichtigsten westlichen Wirtschaftsmächte gehören neben den USA, Frankreich und Deutschland auch Grossbritannien, Italien, Kanada und Japan an. Im August treffen sich die Staats- und Regierungschefs im französischen Badeort Biarritz zum jährlichen Gipfel.