Gauland rechnet mit Meuthen ab: Hälfte der Partei beschädigt
Seit dem Bundesparteitag in Kalkar ist der Richtungsstreit in der AfD vollends eskaliert. Das mag auch damit zusammenhängen, dass einige Abgeordnete angesichts mässiger Umfragewerte um ihr Mandat fürchten. Gauland will den Laden zusammenhalten.
Das Wichtigste in Kürze
- Wenn die AfD eine wirkliche Alternative zu den etablierten Parteien sein will, sollte sie sich aus Sicht ihres Ehrenvorsitzenden Alexander Gauland nicht nach dem Verfassungsschutz richten.
«Wir sollten das, was der Präsident des Verfassungsschutzes, Thomas Haldenwang, sagt, nicht zum Massstab unseres Handelns machen», sagte Gauland der Deutschen Presse-Agentur. «Es gibt leider einige Leute bei uns, die zu stark in Richtung des Verfassungsschutzes denken; so kann man aber keine echte Opposition sein», sagte Gauland, der die AfD-Bundestagsfraktion gemeinsam mit Alice Weidel leitet.
Haldenwang hatte nach Angaben von Teilnehmern vor einigen Tagen bei der Innenministerkonferenz durchblicken lassen, dass seine Behörde wohl noch im Januar in der Frage einer möglichen Verdachtsbeobachtung der Gesamtpartei AfD eine Entscheidung fällen will. Bislang wird nur der 2015 vom Thüringer AfD-Landeschef Björn Höcke gegründete und formal inzwischen aufgelöste «Flügel» bundesweit als rechtsextremistische Bestrebung beobachtet. Die Nachwuchsorganisation, die Junge Alternative, gilt als Verdachtsfall. Auch bei einem Verdachtsfall ist der Einsatz von nachrichtlichen Mitteln gestattet.
Er persönlich habe auch keine Berührungsängste in Bezug auf das von Götz Kubitschek gegründete Institut für Staatspolitik in Schnellroda, das vom Verfassungsschutz ebenfalls als Verdachtsfall eingestuft wird, sagte Gauland. Das Institut gilt als Scharnier zwischen verschiedenen Gruppierungen der sogenannten Neuen Rechten. Vor allem «Flügel»-Anhänger gingen dort in den vergangenen Jahren ein und aus. «Götz Kubitschek ist ein Intellektueller, der mit der Partei nichts zu tun hat», sagte Gauland. Von Kubitschek gehe keine Gefahr für die AfD oder für die Gesellschaft aus, beteuerte der Fraktionschef. «Er ist ein Freund von Herrn Höcke und ruft mich auch ab und zu an».
Auf die von Kritikern der staatlichen Anti-Corona-Massnahmen gegründete Bewegung der «Querdenker» angesprochen, sagte Gauland: «Wir sind eine Bewegungspartei, die auch Kontakt zu bestimmten Protestgruppen pflegen sollte. Das gilt für «Querdenken», aber auch für Pegida in Dresden oder für den Verein Zukunft Heimat aus Cottbus.»
Die AfD müsse dabei allerdings immer aufpassen, dass nicht «irgendwelche Verrückten» im Namen der Partei Veranstaltungen anmeldeten, fügte er hinzu. «Das ist immer ein Tanz auf dem Seil, bei dem man nicht herunterfallen darf.» Im September 2018 waren AfD-Funktionäre bei einem «Trauermarsch» gemeinsam mit Neonazis durch Chemnitz marschiert, nachdem in der Stadt ein Deutscher bei einer Auseinandersetzung mit Flüchtlingen getötet worden war.
Die in der öffentlichen Debatte um die AfD und den Verfassungsschutz gelegentlich verwendeten Vergleiche mit der Endphase der Weimarer Republik seien «historisch töricht», sagte Gauland. Alle Parteien in Deutschland, «selbst die meisten Teile der Linkspartei», stünden fest zum Grundgesetz. Die AfD werde dennoch «einer Beobachtung durch den Verfassungsschutz sowieso nicht entgehen». Denn diese Behörde «hat einen Auftrag zu erfüllen», mutmasste der Fraktionschef. «Wir werden uns dagegen juristisch zur Wehr setzen und damit dann auch Erfolg haben.»
Harsche Kritik übte Gauland am Stil des AfD-Vorsitzenden Jörg Meuthen. Der hatte bei der Eröffnung des Bundesparteitages in Kalkar Ende November jene Parteifreunde scharf angegriffen, «die nur allzu gerne rumkrakeelen und rumprollen» oder die, wie Gauland, Begriffe wie «Corona-Diktatur» verwendet hatten. Gauland sagte, Meuthen habe «eine Rede gehalten, mit der er die Hälfte der Partei beschädigt hat. Warum, das habe ich bis heute nicht verstanden.» Er habe seither aber auch nicht mehr das Gespräch mit dem Parteivorsitzenden gesucht.
Gauland erklärte, er hätte auf Meuthens Rede gerne schon in Kalkar etwas entgegnet, habe aber dann den zweiten Tag des Parteitages im Krankenhaus verbringen müssen. Es gehe ihm allmählich gesundheitlich wieder besser.
Gauland (79), der von Dezember 2017 bis Dezember 2019 gemeinsam mit Meuthen AfD-Vorsitzender war, warf Meuthen den Versuch vor, den neuen Co-Vorsitzenden Tino Chrupalla «an die Seite zu drängen». Er fügte hinzu: «Dabei müsste er aus seiner eigenen leidvollen Erfahrung mit Frauke Petry eigentlich wissen, dass man das nicht tun sollte.»