EU

Gemeinsamer Nuklearschirm? Europa berät über Aufrüstung

Keystone-SDA
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Belgien,

Die Frage einer gemeinsamen nuklearen Abschreckung wurde weiterhin beim EU-Gipfel in Brüssel erörtert.

Olaf Scholz
Scholz zeigte sich auf dem EU-Gipfel zurückhaltend zur Idee, europäische Verbündete mit französischen Atomwaffen zu schützen. (Archivbild) - dpa

Beim EU-Gipfel in Brüssel ist die Frage einer gemeinsamen nuklearen Abschreckung weiter diskutiert worden. Als Reaktion auf den Kurswechsel in der US-Aussenpolitik unter Präsident Donald Trump hatte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron seine Überlegungen dazu weiter bekräftigt und angekündigt, «die strategische Debatte über den Schutz unserer Verbündeten auf dem europäischen Kontinent durch unsere Abschreckung zu eröffnen».

Die Entscheidungshoheit über einen Einsatz will er aber alleine bei Frankreich belassen. Macron knüpfte dabei an eine Aussage von Deutschlands wahrscheinlichem nächsten Bundeskanzler Friedrich Merz an, welche er als «historischen Aufruf» bezeichnete.

Scholz zurückhaltend

Merz hatte kurz vor der deutschen Bundestagswahl im Fernsehsender ZDF gesagt, man müsse mit den europäischen Atommächten Grossbritannien und Frankreich über nukleare Zusammenarbeit reden. Die Frage einer grösseren nuklearen Unabhängigkeit Europas sei in der Fachwelt schon seit Jahren Thema.

«Nur sie ist leider in der politischen Welt bis heute nicht ausreichend diskutiert worden.» Deutschlands scheidender Bundeskanzler Olaf Scholz gab sich hingegen auf dem EU-Gipfel zurückhaltend zu der Idee, europäische Verbündete mit französischen Atomwaffen zu schützen.

Der sozialdemokratische Politiker beantwortete eine Journalistenfrage danach mit dem Hinweis auf die bestehende nukleare Abschreckung der Nato, die auf den Atomwaffen der USA basiert und an der Deutschland beteiligt ist. «Und ich glaube, das soll nicht aufgegeben werden, ist die gemeinsame Auffassung aller zentralen Parteien in Deutschland.»

Noch etwa 100 US-Atombomben in Europa stationiert

Erforderlich wären vermutlich riesige Investitionen, weil die britischen und französischen Atomwaffen derzeit nur eine Art nationale Ergänzung zur US-Abschreckung über die Nato waren. Die USA haben Expertenschätzungen zufolge noch etwa 100 Atombomben in Europa stationiert. Einige davon sollen in Deutschland auf dem Fliegerhorst Büchel in der Eifel lagern.

Im Ernstfall sollen sie von Kampfjets der deutschen Bundeswehr eingesetzt werden. Auch in Belgien, den Niederlanden, Italien und in der Türkei sollen noch US-Atombomben stationiert sein. Offizielle Angaben gibt es dazu nicht.

Macron bot 2020 Gespräche über europäische Atom-Abschreckung an

Seit dem Amtsantritt Trumps wachsen die Zweifel daran, dass sich die Europäer noch auf den Schutz der USA verlassen können. Macron hatte Deutschland und anderen EU-Partnern bereits 2020 während der ersten Amtszeit des US-Präsidenten Gespräche über eine europäische Kooperation bei der atomaren Abschreckung angeboten. Bei der damaligen Kanzlerin Angela Merkel stiess er aber zunächst auf genauso wenig Resonanz wie bei Scholz.

Das Nachrichtenmagazin «Spiegel» berichtet allerdings, dass es seit mehr als einem Jahr «einen strukturierten strategischen Dialog» der deutschen Regierung mit Grossbritannien und Frankreich unter anderem über nukleare Abschreckung gebe, an dem seit April 2024 die Sicherheitsberater der Staats- und Regierungschefs beteiligt sind.

Scholz bestätigte solche Gespräche zwar. «Es bleibt aber trotzdem dabei, dass wir uns gemeinsam dem Nato-Konzept verpflichtet fühlen und das ist Ihnen bekannt und das ist auch im Interesse der gemeinsamen Sicherheit in Europa», fügte er hinzu.

Merz auch in Brüssel – aber nicht beim Gipfel

Macron setzt nun darauf, dass er mit Merz einen echten Verbündeten für seine Idee findet. Der war am Donnerstag ebenfalls in Brüssel – aber nur zum Treffen der konservativen Staats- und Regierungschefs sowie Parteivorsitzenden vor dem Gipfel. Er äusserte sich nicht öffentlich.

Der polnische Ministerpräsident Donald Tusk begrüsste den Vorstoss Macrons. «Wir müssen diesen Vorschlag ernsthaft in Betracht ziehen, denn es muss eine unserer Prioritäten sein, alle unsere Fähigkeiten in Europa zu koordinieren und wirklich eine gut koordinierte Streitmacht aufzubauen», sagte er. Auch der litauische Präsident Gitanas Nausėda sprach von einer «sehr interessanten Idee», an die man «hohe Erwartungen» habe.

Der Gedemütigte wird mit offenen Armen empfangen

Die Reaktion auf Trump ist das zentrale Thema des Sondergipfels in Brüssel, zu dem auch Wolodymyr Selenskyj anreiste. Der zuletzt bei seinem Besuch im Weissen Haus gedemütigte ukrainische Präsident wurde in Brüssel mit offenen Armen empfangen.

«Dies ist ein entscheidender Moment für Europa», sagte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. «Europa sieht sich einer klaren und gegenwärtigen Gefahr gegenüber, und deshalb muss Europa in der Lage sein, sich selbst zu schützen, sich zu verteidigen, so wie wir die Ukraine in die Lage versetzen müssen, sich selbst zu schützen.»

Von der Leyens 800-Milliarden-Plan

Bei dem Sondertreffen der EU-Spitzen wird unter anderem über eine mögliche Erhöhung europäischer Verteidigungsausgaben beraten. Von der Leyens EU-Kommission hat dafür einen Plan präsentiert und hofft, dass er beim EU-Gipfel die notwendige Zustimmung bekommt.

Mit mehreren Massnahmen könnten insgesamt fast 800 Milliarden Euro mobilisiert werden, hofft von der Leyen. Für viele Regierungen stellt sich allerdings die Frage, woher das Geld dafür kommen soll.

Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban und sein slowakischer Kollege Robert Fico signalisierten vor dem Gipfel ihren Widerstand gegen eine gemeinsame Erklärung zugunsten der Ukraine. Beide befürworten Trumps Kurs im Ukraine-Konflikt und pflegen enge Beziehungen zu Russlands Präsidenten Wladimir Putin.

Selenskyj: «Wir fühlen es»

Selenskyj bedankte sich in Brüssel dafür, dass die EU sein Land von Beginn des Kriegs an stark unterstützt habe. «Sie haben ein starkes Signal an das ukrainische Volk, an die ukrainischen Krieger, an die Zivilbevölkerung, an alle unsere Familien gesendet», sagte er.

«Wir sind sehr dankbar, dass wir nicht allein sind. Das sind nicht nur Worte. Wir fühlen es.»

Kommentare

User #4662 (nicht angemeldet)

Europa sehr beschäftigt über sich selbst und weniger mit dem wichtigsten, die Ukarine retten, dies ist fatal denn jetzt zählt jeder tag, wa Europa nicht realisiert. Der sieg über russland hat mit atom nichts zu tun nur mit wille!

User #2595 (nicht angemeldet)

10 Jahre zu spät!

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