Gletschersturz-Überlebender: «Keine Zeit, Schmerzen zu empfinden»
Der Gletschersturz in den Dolomiten forderte mindestens sieben Todesopfer. Auch ein 27-Jähriger wurde verschüttet – überlebte aber wie durch ein «Wunder».
Das Wichtigste in Kürze
- In den Dolomiten ereignete sich am Sonntag ein Gletschersturz.
- Noch immer wird nach Überlebenden gesucht.
- Einer von ihnen ist Riccardo Franchin, der von einem «Blackout» berichtet.
Am Sonntag löst sich plötzlich ein grosser Gletscherbrocken am Bergmassiv Marmolata in den Dolomiten (I): Der Berg spuckt Eis, Schnee und Felsen – mindestens sieben Menschen kommen ums Leben, 13 weitere werden vermisst. Jetzt spricht ein Überlebender über das Horror-Erlebnis.
Riccardo Franchin war mit drei Kollegen in den Bergen unterwegs. Gerade wollten sie sich an die Besteigung des Gletschers machen, als dieser einzustürzen begann.
The footage of the large ice avalanche in Marmolada today in close proximity.
— Alpine-Adriatic Meteorological Society (@aametsoc) July 3, 2022
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«Keine Zeit, Schmerzen zu empfinden»
«Als ich das Geräusch hörte, hob ich den Kopf: Der Berg regnete auf uns herab. Und ich begann zu rennen, so schnell ich konnte», erklärte der 27-jährige Ingenieur seinem Vater, wie «Corriere del Veneto» berichtet. Doch es gelang ihm nicht, zu entkommen. «Es dauerte nicht lange und ich wurde von der Lawine erfasst.»
Vater Mario Franchin sagt, dass sein Sohn daraufhin sofort das Bewusstsein verloren habe. Nach einer unbestimmten Zeit, es könnte sich um Sekunden oder Minuten handeln, kam er wieder zu sich. Benommen und mit Verletzungen von den Fels- und Eissplittern – aber am Leben.
Der junge Bergsteiger habe ein Blackout gehabt. Er sei verwirrt gewesen und habe sich umgesehen.
«Das Nichts. Die mächtige, graue Flut hatte Menschen und Wege weggespült. Um ihn herum gab es keine anderen mehr», sagt der Vater gegenüber der Zeitung. Er habe niemanden mehr gesehen – von seinen Freunden keine Spur.
Auf seinen erschöpften Beinen schaffte der unter Schock stehende 27-Jährige es, sich zu einer Schutzhütte zu schleppen. «Ich hatte keine Zeit, Schmerzen zu empfinden», sagte er gemäss seines Vaters. An der Hütte angekommen, leisteten Wanderer Erste Hilfe.
Jetzt liegt Franchin mit Schürfwunden und einer Leberverletzung, die wohl keine Folgen haben wird, im Spital. Immer wieder fragt er nach seinen vermissten Kollegen. Dass der junge Italiener den Gletscherabbruch überlebt hat, ist laut den Ärzten ein «Wunder».