Greenpeace-Chefin sieht Deutschland bei Klima auf Weg zurück in Vergangenheit
Die Leiterin von Greenpeace International, Jennifer Morgan, sieht Deutschland beim Klimaschutz derzeit auf dem «Weg zurück in die Vergangenheit».
Das Wichtigste in Kürze
- Morgan erhofft sich von UN-Klimakonferenz Signal für ehrgeizigere Emissionsziele.
Sie sprach zum Auftakt der UN-Klimaschutzkonferenz an diesem Montag in Madrid von «alten Blockaden», die wieder hochkämen. So sei Deutschland in der EU derzeit «einer der Hauptbremser beim Klimaschutz». sei. «Das ist skandalös», sagte Morgan der Nachrichtenagentur AFP.
Das Klimapaket der Bundesregierung wertete Morgan als «enttäuschend schwach». Die seit Januar vorliegenden Kommissionsempfehlungen zum Kohleausstieg würden «sabotiert». «Die Regierung aus CDU und SPD muss jetzt liefern und den Kohlekompromiss eins zu eins umsetzen», verlangte Morgan. Sie solle «mehr auf die Menschen hören» und «nicht nur auf die Industrie», verwies die Greenpeace-Chefin auf die Proteste von Fridays for Future, an denen sich vergangenen Freitag in Deutschland erneut mehr als 600.000 Menschen beteiligten.
Besorgt äusserte sich Morgan über den derzeit stockenden Ausbau erneuerbarer Energien. Während es hier international grosse Fortschritte gebe, wirke Deutschland so, «als sei es in die 60er Jahre zurückgefallen». Zwar sei hier früh mit dem Ökostrom-Ausbau angefangen worden, jetzt aber «droht bei Onshore Windkraft ein Stillstand». Dadurch stehe auch «beispielsweise der falsche Strommix für Elektroautos zur Verfügung», warnte Morgan. Mit Blick auf Forderungen der designierten SPD-Vorsitzenden Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans nach mehr Klimaschutz forderte sie, hier müssten «beide jetzt auch liefern».
Positiver beurteilte sie die Lage beim Klimaschutz auf EU-Ebene. So sei die Erklärung des Klimanotstands durch das EU-Parlament «ein gutes Zeichen», auch in der ersten Rede der neuen Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen habe der Klimaschutz eine wichtige Rolle gespielt. Morgan lobte zudem den Akzent auf eine «Just Transition», einen sozial gerechten Wandel. Allerdings müsse auch die EU «dringend ihr Klimaziel nachschärfen». So sei bis 2030 für das 1,5-Grad-Ziel eine Emissionsminderung um 65 Prozent erforderlich, minus 55 Prozent reichten dafür nicht aus.
Mit Blick auf die UN-Konferenz in Madrid äusserte Morgan die Hoffnung, dass es dort «ein klares Signale» für Nachbesserungen bei den vorliegenden nationalen Emissionszielen geben werde. Eine Revision dieser Ziele ist zwar erst für die nächste Klimakonferenz im kommenden Jahr in Glasgow vorgesehen, diesbezügliche Ambitionen müssten aber schon in Madrid deutlich werden.
«Wir alle wissen, dass wir mehr tun müssen, um die Treibhausgase runter zu bekommen», hob die Greenpeace-Chefin hervor. «Bisher klafft eine riesige Lücke zu dem, was die Wissenschaft für erforderlich hält, um das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen.» Es sei wichtig, dass die EU und ihre Mitgliedsstaaten hier eine «Führungsrolle» übernehmen. Dies gelte besonders für Deutschland, dass während der UN-Konferenz in Glasgow die EU-Präsidentschaft hat.
Morgan nannte es «hoch frustrierend», dass sich bisher trotz aller Proteste beim Klimaschutz so wenig bewege. Das «macht mich wirklich wütend», sagte sie AFP, zumal in der Gesellschaft Bereitschaft zum Handeln vorhanden sei. Die Greenpeace-Chefin selbst will Mitte der Woche von Berlin aus über Brüssel mit der Bahn nach Madrid fahren.