Greensill Affäre: Kommunen suchen Schulterschluss
Das Wichtigste in Kürze
- Die Bremer Greensill-Bank hat Insolvenz angemeldet.
- Nun bemühen sich 26 deutsche Kommunen um Schadensbegrenzung.
- Die Geschäfte mit der Bank könnten ihnen teuer zu stehen kommen.
Wenn Kommunen Geld haben, legen sie es an. Negativzinsen wollen sie vermeiden. Die Bremer Greensill-Bank erschien dabei als eine gute Lösung. Doch die Geschäfte mit der Bank könnten viele Kommunen teuer zu stehen kommen.
Greensill Affäre
Nach der Insolvenz der Bremer Greensill-Bank bemühen sich 26 deutsche Kommunen um Schadensbegrenzung.
Die Städte hätten sich auf ein abgestimmtes Vorgehen geeinigt. «Um aus einer vorhandenen Insolvenzmasse zumindest noch Teile ihrer Anlagen zurückzuerhalten.» Dies teilte die NRW-Stadt Monheim am Dienstag mit und sprach dabei für die Gruppe der Kommunen. Diese haben 255 Millionen Euro bei Greensill angelegt.
Haftungsansprüche sollen gemeinschaftlich geprüft werden. Auch Osnabrück, Eschborn und Emmerich gehören dazu. Am Dienstag eröffnete das Amtsgericht Bremen das Insolvenzverfahren nach einem Antrag der Finanzaufsicht Bafin.
Staatsanwaltschaft ermittelt
Die Behörde hatte die Bremer Tochter des britisch-australischen Finanzkonglomerats Greensill bereits Anfang März wegen drohender Überschuldung für den Kundenverkehr geschlossen. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen die Greensill Bank AG, die Bafin hatte Strafanzeige gestellt. Dem Vernehmen nach geht es um den Vorwurf der Bilanzfälschung. Vergangene Woche hatte die «Wirtschaftswoche» berichtet, dass die Bafin auch gegen den Abschlussprüfer der Bank vorgehe.
Der Insolvenzverwalter der Greensill Bank AG hat nach Angaben der Wirtschaftskanzlei CMS Hasche Sigle die Arbeit aufgenommen. «
CMS arbeitet bereits mit Hochdruck an dem Verfahren und hat ein versiertes Restrukturierungsteam aufgestellt.» Dies hiess es am Dienstag von der Kanzlei, deren Partner der bestellte Insolvenzverwalter Michael C. Frege ist. Eine Stellungsnahme zur Sache sei allerdings frühestens in 14 Tagen zu erwarten.
Greensill Affäre: 3,6 Milliarden Euro an Einlagen
Nach Informationen aus Finanzkreisen stehen bei der Bremer Bank rund 3,6 Milliarden Euro an Einlagen im Feuer. Davon dürften etwa 3,1 Milliarden Euro durch die gesetzliche Einlagensicherung sowie den Einlagensicherungsfonds des Bundesverbandes deutscher Banken (BdB) gesichert sein. Das gilt vor allem für das Geld von Privatkunden. Banken müssen die Einlagensicherung finanzieren - die Ausfälle rund um die Greensill Affäre dürften also auch andere Banken finanziell belasten.
Ist das Insolvenzverfahren eröffnet, stellt die Bafin den «Entschädigungsfall» fest. Dann bekommen Privatanleger binnen sieben Arbeitstagen Geld aus dem Einlagensicherungsfonds zurück. Die Einlagensicherung wiederum hat als Gläubiger Anspruch auf die Insolvenzmasse und dies in einer «Vorrangstellung». Sie dürfte also deutlich mehr Geld zurückbekommen als die Kommunen.
Die wiederum fallen seit 2017 nicht mehr unter den Schutzschirm der Einlagensicherung. Wie viele Kommunen betroffen sind, ist noch unklar - einige dürften ihre Involvierung noch nicht bekannt gemacht haben. Auch das Land Thüringen, das 50 Millionen Euro angelegt hat, will Geld zurück.
Monheim bei Düsseldorf
Die Kommune, die am meisten Geld bei Greensill angelegt hat und nun am stärksten von der Greensill Affäre betroffen ist: Ist die 44 000-Einwohner-Stadt Monheim bei Düsseldorf. Die als Gewerbesteuer-Oase solide Finanzen aufweist und 38 Millionen Euro bei Greensill als Festgelder angelegt hat.
Wie konnte es nur so weit kommen? In eilig einberufenen Sitzungen berieten die Kommunen in den vergangenen Tagen über ihr finanzielles Unheil. In so einer Sitzung stellte sich Monheims Bürgermeister Daniel Zimmermann demonstrativ vor die Beschäftigten der Stadtkasse. Diese waren zuständig für die Verträge.
Diese hätten rund um den Jahreswechsel Festgeldverträge mit Zinssätzen von 0,08 bis 0,3 Prozent unterschrieben. «Ich sage ehrlich: Hätte man mir diese Verträge im Dezember und Januar vorgelegt, ich hätte sie wahrscheinlich unterzeichnet», sagte der Politiker.
Greensill Affäre: Verweis auf Finanzdienstleiter
Den schwarzen Peter wollen die Kommunalvertreter nach Bonn schieben, wo die Bafin ihren Sitz hat. Kritisch verweisen sie zudem auf Finanzdienstleister, die zur Anlage geraten hätten. «Bis zum Schluss besass Greensill ein gutes Rating», heisst es in der gemeinsamen Mitteilung vom Dienstag. Von den schon seit Monaten laufenden Untersuchungen der Bafin hätten die Kommunen zu spät erfahren.
Die Bafin weist Kritik zurück. Man habe «bereits 2020 entschlossen und tatkräftig gehandelt», teilt sie mit. Dabei habe man gut mit dem Bundesverband deutscher Banken (BdB) und dem Prüfungsverband deutscher Banken (PdB) zusammengearbeitet.
Eine 2019 begonnene Prüfung des PdB habe «ein Konzentrationsrisiko und Verstösse gegen die Geschäftsorganisation» gezeigt: «Nicht aber Indizien für Betrug oder andere strafbare Handlungen».
Nachdem die Bafin Indikationen zum Prüfungsergebnis im Frühjahr 2020 bekommen habe: Habe sie eigene Untersuchungen begonnen und im September eine Sonderprüfung angeordnet.
Ein Moratorium
Auf Basis erster Erkenntnisse aus dieser Prüfung bestellte die Bafin Anfang Januar 2021 Sonderbeauftragte. Am 3. März erliess die Bafin ein Moratorium. Hinweise für so eine drastische Massnahme darf die Bafin zuvor nicht nach aussen geben.
Der Bankenwissenschaftler Hans Peter Burghof sieht sowohl die Rolle der Bafin als auch die der Kommunen kritisch. «Wie bei Wirecard hat die Bafin auch bei der Greensill Affäre versagt.» Dies sagt der BWL-Professor von der Universität Hohenheim in Stuttgart.
Greensill Affäre: Auszahlung der Versicherungssumme
Bei Betrachtung der Bank habe die Finanzaufsicht bestimmte Kreditversicherungen eigenkapitalschonend angerechnet. Obwohl bekannt war, dass die Versicherungen im Schadensfall sehr strenge Kriterien für die Auszahlung der Versicherungssumme haben. «Auf dem Papier war das Risiko durch diese Anrechnung geringer als es tatsächlich der Fall war», moniert er.
Die Kommunen kommen aus Sicht von Burghof beim Thema Greensill Affäre ebenfalls schlecht weg. «Sie haben Geld investiert bei einer Bank, die sie nicht einschätzen konnten - das ist keine nachhaltige Anlagepolitik.» Die Bank habe etwas bessere Zinsen gezahlt als die Konkurrenz. Durch dieses kleine Differenz sei klar gewesen, dass die Anlage riskanter sei als bei anderen Finanzinstituten.
Aus Sicht von Burghof ist die Geldanlage von Kommunen häufig nicht professionell genug. Immer wieder gingen Anlagen in die Binsen, moniert der Wissenschaftler und verweist auf die «Spread Ladder Swaps». Also riskante Derivate zur Zinsoptimierung.
Einige Kommunen verloren hierbei im vergangenen Jahrzehnt viel Geld. Auch relativ niedrig verzinste Kredite in Schweizer Franken wurden vor einigen Jahren zum Finanzballast für Kommunen wie Essen. Als der Frankenkurs stieg und dadurch deutlich mehr bezahlt werden musste als gedacht.