Halle (Saale): Richterin zeigt im Prozess gegen Terrorist Tatvideo
Am Mittwoch wurde der Prozess zu Halle (Saale) fortgesetzt. Darin spielte die Richterin erstmals das Tatvideo des Anschlags ab. Der Täter zeigte keine Reue.
Das Wichtigste in Kürze
- Am Mittwoch wurde der Halle-Prozess fortgesetzt.
- Die Richterin liess erstmals das Tatvideo vorspielen.
- Der Täter, Stephan Balliet, zeigte keine Reue.
Trauer und Wut bei den Hinterbliebenen und ein breites Grinsen beim Angeklagten: Das Video, das der Terrorist ins Internet gestreamt hat, wurde am zweiten Prozesstag vor Gericht abgespielt. Es zeigt den Anschlag in Halle (Saale) im Osten Deutschlands.
Richterin Ursula Mertens spielte am Mittwoch das gut halbstündige Video ab. Einige Nebenkläger, Verletzte und Hinterbliebene verliessen den Raum. Betroffene hielten sich die Augen zu, schauten weg oder hielten die Hand ihrer Sitznachbarn und Anwälte.
Stephan Balliet lächelte zunächst als er auf den Monitor blickte. Die Nebenklage machte einen im Saal sitzenden psychologischen Gutachter auf seine Reaktion aufmerksam. «Ich habe über ein, zwei Sachen schmunzeln müssen, dämliche Witze, nicht mehr», sagt der 28-Jährige später.
Überhaupt wirkte der Beschuldigte am zweiten Verhandlungstag gut gelaunt. In Pausen plaudert er grinsend mit seinen Verteidigern oder lässt seine Blicke durch die Reihen der Nebenkläger schweifen. Auch der Hinweis der Bundesanwaltschaft, dass er den Rest seiner Tage hinter Gittern verbringen könnte, brachte nicht aus der Ruhe.
Täter von Halle (Saale): Von Reue keine Spur
Auch von Reue ist weiterhin nichts zu spüren. Das einzige, was er zu Bedauern scheint, ist, dass unter den Opfern weder Juden oder Muslime noch Ausländer waren. Sie seien nicht seine «Feinde» gewesen, sagt der Angeklagte.
Selbstkritisch ist er hingegen bei den technischen Pannen seines Anschlags. So gab es bei seinen selbst gebauten Waffen beispielsweise Ladehemmungen - was vermutlich zahlreichen Menschen das Leben rettete.
Es geht ihm - so wirkt es - nicht darum, seine eigene Darstellung der Geschehnisse vom 9. Oktober zu erläutern, um Vergebung zu bitten oder gar die Schuld zu leugnen. Eher wirft er sich vor, vor seiner Festnahme nicht noch weiter «gekämpft» zu haben.
Balliet versucht, dem Gericht zu erklären, woran er gescheitert ist. Und warum er in bestimmen Situationen so gehandelt hat, wie er gehandelt hat.
Es scheint, als wolle der mutmassliche Terrorist von Halle (Saale) dem Gericht zeigen, dass er kein verrückter Attentäter ist. Als wolle er erklären, dass er bedacht und geplant vorging. Das wurde schon am ersten Verhandlungstag deutlich.
Ansonsten lieferten sich die Verteidiger und die Vertreter der Nebenklage am Mittwoch kleinere Wortgefechte, weshalb der Prozess mehrmals unterbrochen wurde. Nach der Bundesanwaltschaft und den beiden Pflichtverteidigern erhielten auch die 21 Anwälte der Nebenkläger die Gelegenheit, den Angeklagten zu befragen.
Verhandlungstage bis Mitte Oktober
Eine der Nebenklägerinnen sagte am Rande der Verhandlung, das Verhalten des Angeklagten mache sie aggressiv. Zum Abbau von Aggressionen erwäge sie ernsthaft, das Gericht zu bitten, im Aufenthaltsbereich einen Boxsack aufzuhängen. Andere reagierten auf das Verhalten des 28-Jährigen ruhiger, eher traurig als wütend.
Für Betroffene stehen während des Verfahrens auch sechs Betreuer bereit. «Wir wollen Ängste und Unsicherheiten nehmen», sagte die zuständige Referatsleiterin im Justizministerium, Manuela Naujock.
In erster Linie seien sie für die Verletzten und Hinterbliebenen des Anschlags in Halle (Saale) da. Die wurden durch das Video sehr plastisch daran erinnert, wie ein Terrorist einen ihrer Angehörigen getötet hat oder töten wollte. Naujock sagte: «Viele haben das Video zum ersten Mal gesehen.»
Das Gericht hat zunächst Verhandlungstage bis Mitte Oktober geplant. 43 Nebenkläger wurden zugelassen, darunter der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Halle (Saale), Max Privorozki. Die Zahl erhöht sich voraussichtlich noch.
Am Mittwoch wurde bekannt, dass ein Ehepaar, das sich zur Tatzeit in der Synagoge befand, als Nebenkläger gelistet werden will. Ausserdem sind bislang 147 Zeugen benannt, darunter 68 Ermittlungsbeamte. Der Prozess soll nächste Woche Dienstag fortgesetzt werden.