Hilfsorganisationen schlagen vor Syrienkonferenz Alarm
Seit mehr als neun Jahren tobt in Syrien ein Bürgerkrieg. Die Gewalt hat sich zuletzt beruhigt. Aber das Leiden der Syrer geht weiter. Wegen einer Wirtschaftskrise können viele gerade noch so überleben.
Das Wichtigste in Kürze
- Vor dem Beginn einer Syrienkonferenz in Brüssel schlagen Hilfsorganisationen angesichts der Hungerkrise in dem Bürgerkriegsland Alarm.
«Die wirtschaftliche Situation wird schlimmer und schlimmer», sagte der Programmkoordinator der Welthungerhilfe für Syrien, Halil Kurt, der Deutschen Presse-Agentur. Überall im Land gebe es mittlerweile Probleme bei der Versorgung mit Lebensmitteln.
Die Sprecherin des UN-Nothilfewerks Ocha warnte: «Nach neun Jahren der Krise und einer wachsenden Zahl von Flüchtlingen werden täglich mehr Menschen in Hunger und Armut getrieben.»
Bei der heute in Brüssel beginnenden zweitägigen Syrienkonferenz wollen Europäische Union und Vereinte Nationen über Hilfe für die syrische Zivilbevölkerung beraten. Nach mehr als neun Jahren Bürgerkrieg erlebt das Land eine schwere Wirtschaftskrise. Das syrische Pfund hat in den vergangenen Monaten massiv an Wert verloren. Die Corona-Pandemie und neue US-Sanktionen haben die Lage verschärft. Auch die Wirtschaftskrise im benachbarten Libanon trägt dazu bei.
«Die Menschen müssen ihre Mahlzeiten verkleinern oder ganz ausfallen lassen», sagte Kurt. Viele ernährten sich fast nur noch von Brot. «Sie überleben noch, aber sie haben keine ausgewogene Ernährung mehr. Das wird langfristig zu Gesundheitsproblemen führen.»
Schätzungen des Welternährungsprogramms (WFP) zufolge haben mittlerweile rund 9,3 Millionen Syrer nicht mehr genug zu essen. Das sei eine Zunahme um 1,4 Millionen Menschen in den vergangenen sechs Monaten. Das WFP sprach im Vorfeld der Brüsseler Konferenz von einer «beispiellosen Hungerkrise». Die Lebensmittelpreise seien innerhalb eines Jahres um mehr als 200 Prozent gestiegen. Zudem klagen Hilfsorganisationen seit Jahren, dass die humanitäre Hilfe unterfinanziert sei.
Kurt zufolge braucht ein Familie in Syrien umgerechnet rund 120 US-Dollar im Monat, um sich mit den grundlegendsten Lebensmitteln und Gütern versorgen zu können. Das entspreche mittlerweile im Schnitt einem Einkommen von drei Monaten. «Die Syrer müssen also drei Monate arbeiten, um einen Monat leben zu können», sagte Kurt.
Dazu beigetragen hätten Probleme in der Landwirtschaft, einer wichtige Säule der Wirtschaft. So könnten etwa im Norden und Nordwesten des Landes viele Olivenhaine nicht mehr bestellt werden, weil dort Vertriebene lebten. Landwirtschaftliche Güter wie Saatgut, die importiert werden müssen, seien mittlerweile wegen des Pfundverfalls häufig zu teuer. Nach Angaben des UN-Nothilfebüros Ocha gibt es in Syrien mehr als sechs Millionen Binnenvertriebene.
EU und UN wollen in Brüssel auch über Friedensbemühungen für Syrien sprechen. Die Regierungsanhänger kontrollieren mittlerweile wieder rund zwei Drittel des Landes, darunter die wichtigsten Städte. Seit dem Beginn einer von den Schutzmächten Russland und Türkei vereinbarten Waffenruhe für das letzten grossen Rebellengebiet Idlib im Nordwesten des Landes hat sich die Lage dort beruhigt. Dennoch warnen Beobachter, die Gewalt dort könne jederzeit wieder eskalieren.