Historischer Protest: Ungarns Richter fordern Unabhängigkeit
Zum ersten Mal demonstrieren ungarische Richter für die Unabhängigkeit der Justiz. Tausende Menschen schliessen sich an.

Zum ersten Mal in der ungarischen Geschichte haben Richter am Samstag in Budapest für die Unabhängigkeit der Justiz demonstriert. Laut Medienberichten nahmen mehrere Tausend Menschen teil. Der Protestmarsch führte vom Kossuth-Platz zum Justizministerium.
Tafeln mit der Aufschrift «Keine Freiheit ohne unabhängige Justiz» sollten an die Forderungen der Richter erinnern. Sie verlangen Freiheit der richterlichen Meinungsäusserung und würdige Entlohnung.
An der von der Ungarischen Richter-Vereinigung (MABIE) organisierten Protestaktion nahmen nicht nur Richter und Beschäftigte der Justiz teil, sondern auch viele Sympathisanten, berichtete das Onlineportal «Telex.hu». Es gab in dem Demonstrationszug keine politischen Symbole und Parteifahnen, da die Organisationen darum ersuchten.
Auch Vertreter der Europäischen und Internationalen Richtervereinigung nahmen an den Demonstrationen teil. Dabei bezeichnete Duro Sessa, Präsident des Internationalen Verbandes, das Ereignis als einzigartig und betonte dass alle Teilnehmer im Interesse ihrer Mitbürger auf die Strasse gingen.
Internationale Unterstützung bei historischer Demonstration
Es müsse Absprachen mit den Vertretern des Justizwesens vor Entscheidungen geben, betonte der Präsident. Katalin Boros, Vorsitzende von MABIE, erinnerte in ihrer Rede daran, dass die Ereignisse der vergangenen Monate zu Ängsten und der Frage führten: «Werden unsere Rechte verletzt?»
Ohne Regelung des Lohnsystems seien die Beschäftigten des Justizwesens «finanziell ausgeliefert». Boros kritisierte weiterhin, dass Gesetze über ihren Köpfen hinweg verabschiedet würden.
Nur im Falle vollständiger richterlicher Unabhängigkeit könne dem Interesse der Gesellschaft gedient werden. Von «beschämenden Löhnen» sprach Rita Kajdi, eine Mitarbeiterin des Gerichts von Ajka. Die neue Gehaltstabelle würde nur noch mehr Spannungen hervorrufen.
Regierung unter Druck
Der öffentliche Auftritt der Richter sei für die Regierung besonders unangenehm», konstatierte das Onlineportal. Denn weder vor internationaler Öffentlichkeit noch vor Europäischer Kommission sähe es gut aus wenn sich zeigte dass frühere Justizreformen nicht wirkungsvoll genug waren. Ein Rückschritt könnte EU-Gelder für Ungarn gefährden.