Impfpflicht laut Juristen mit Grundgesetz vereinbar

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Deutschland,

Kann eine allgemeine Impfpflicht wie in Österreich auch Deutschland aus der Corona-Dauerschleife führen? Immer mehr Länderchefs sind dafür. Auch bei Juristen zeichnet sich ein Trend ab.

Aufgezogene Spritzen mit dem Wirkstoff von Johnson&Johnson liegen auf einem Tablett. (Archivbild). Foto: Friso Gentsch/dpa
Aufgezogene Spritzen mit dem Wirkstoff von Johnson&Johnson liegen auf einem Tablett. (Archivbild). Foto: Friso Gentsch/dpa - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Die Befürworter einer allgemeinen Impfpflicht gegen das Coronavirus bekommen nun auch Rückendeckung von Rechtswissenschaftlern.

Renommierte Juristen halten sie mit für vereinbar mit dem Grundgesetz. In Österreich soll die Impfpflicht im Februar kommen. Mehrere deutsche Ministerpräsidenten sprechen sich ebenfalls dafür aus.

Die Regierungschefs von Baden-Württemberg und Bayern, Winfried Kretschmann (Grüne) und Markus Söder (CSU) schrieben in einem gemeinsamen Gastbeitrag für die «Frankfurter Allgemeine Zeitung»: «Eine Impfpflicht ist kein Verstoss gegen die Freiheitsrechte. Vielmehr ist sie die Voraussetzung dafür, dass wir unsere Freiheit zurückgewinnen.» Im ZDF-«heute journal» machte Kretschmann deutlich, dass er dies für verfassungskonform hält. Vor einigen Jahrzehnten habe es bereits eine Impfpflicht in Deutschland gegeben - und aktuell in abgeschwächter Form auch bei Masern.

Eine allgemeine Impfpflicht würde auch nicht nur im Kampf gegen das Coronavirus helfen, sondern könnte auch die Polarisierung der Gesellschaft verringern, sagte der Grünen-Politiker. Der Staat könne damit nämlich den bestehenden Konflikt zwischen Impfbefürwortern und Impfgegnern an sich ziehen. «Damit nicht die Nachbarn aufeinander losgehen und sich attackieren.» Es sei höchstgefährlich, wenn sich die Konflikte innerhalb der Gesellschaft immer mehr vertieften.

Debatte um allgemeine Impfpflicht

Zustimmung kam auch von den CDU-Regierungschefs Volker Bouffier aus Hessen, Daniel Günther aus Schleswig-Holstein und Reiner Haseloff aus Sachsen-Anhalt. NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (ebenfalls CDU) mahnte eine gründliche Prüfung an.

Bremens Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) sagte, eine Impfpflicht käme zu spät, um die vierte Corona-Welle zu stoppen, könne aber «für die Zukunft mit Blick auf die bundesweite Situation sicherlich» nicht ausgeschlossen werden. Dagegen stellten sich Saarlands Ministerpräsident Tobias Hans, der geschäftsführende Gesundheitsminister Jens Spahn (beide CDU) oder FDP-Fraktionsvize Michael Theurer.

Juristen: Impfpflicht mit Grundgesetz gedeckt

Eine allgemeine Impfpflicht gegen das Coronavirus wäre nach Ansicht des Staatsrechtlers Ulrich Battis vom Grundgesetz gedeckt. «Eine solche allgemeine Impfpflicht ist durchaus vertretbar - und zwar, um das Leben anderer Menschen zu schützen», sagte der Rechtswissenschaftler von der Berliner Humboldt-Universität der «Neuen Osnabrücker Zeitung». Battis verwies auf Artikel 2 des Grundgesetzes, der den Schutz des Lebens anderer Menschen festlegt. «Das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit, das ebenfalls der Artikel 2 festschreibt, hat dahinter zurückzutreten.»

Der Saarbrücker Pharmazie-Professor Thorsten Lehr sagte «RTL direkt», im nächsten Frühjahr führe kein Weg an einer Impfpflicht vorbei. Sie könne die Lage «schlagartig» ändern. «Das Ende der Pandemie liegt mit der Impfpflicht in unseren Händen.» Der Verwaltungsrechtler Hinnerk Wissmann von der Universität Münster sagte der «Welt», eine Impflicht sei das mildere Mittel, «wenn die Alternative ist, den freien Staat in Lockdown-Endlosschleifen abzuschaffen». Uwe Volkmann, Lehrstuhlinhaber für Öffentliches Recht an der Goethe-Universität Frankfurt, sagte, die «Eingriffstiefe» sei geringer als «die andernfalls erforderlichen gravierenden Freiheitseinschränkungen».

Impfpflicht - kein Impfzwang

Der Bielefelder Rechtsprofessor Franz C. Mayer sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland: «Die Freiheit der Einzelnen endet da, wo Freiheit und Gesundheit anderer in Gefahr sind - das ist hier der Fall, wenn die Impfkampagne nicht gelingt.» Mayer machte klar, dass es um eine Impfpflicht und keinen Impfzwang ginge. Für Impfverweigerer seien ein Bussgeld oder gesetzliche Regelungen zum Verlust des Krankenversicherungsschutzes denkbar. Auch Ministerpräsident Kretschmann hält Bussgeld für möglich. Niemand werde im Gefängnis landen oder von der Polizei zum Impfen abgeholt.

Der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, Heinz-Peter Meidinger, sieht eine Impfpflicht als letztes Mittel an. Den Funke-Zeitungen sagte er mit Blick auf aktuelle Corona-Massnahmen: «Wenn das alles nichts hilft und die allgemeine Impfquote nicht deutlich steigt, werden wir nach meiner persönlichen Überzeugung um eine allgemeine Impfpflicht nicht herumkommen, um endlich aus diesem Teufelskreis von Lockerungen und Lockdowns auszubrechen.»

Länder beraten über schärfere Corona-Regeln

An diesem Dienstag wollen mehrere Landeskabinette über schärfere Regeln beraten. In Bayern, Berlin und Brandenburg wollen die Landesregierungen entscheiden, auch in Niedersachsen soll eine neue Corona-Verordnung vorgestellt werden. Baden-Württemberg will voraussichtlich am Mittwoch bei allen Veranstaltungen in Kultur, Freizeit und Sport die Regel 2G plus einführen. Dann müssten auch Geimpfte und Genesene einen negativen Test vorweisen. Wie die Deutsche Presse-Agentur erfuhr, erweiterte die Regierung aus Grünen und CDU ihren Katalog für schärfere Massnahmen.

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