In Gottes Namen: Das Jüdische Museum Wien macht sich auf die Suche
Das Jüdische Museum Wien geht in seiner neuen Ausstellung der zentralen Frage nach: Wer ist Gott?

Wer ist Gott? Dieser für die Menschheit so zentralen Frage geht das Jüdische Museum Wien in seiner neuen Ausstellung auf den Grund: «G*tt. Die grossen Fragen zwischen Himmel und Erde» ist die offizielle Jubiläumsschau zum 130-jährigen Bestehen der Institution.
Anhand von sieben Fragen nähert sich das Museum den grossen Dingen aus jüdischer Perspektive. «Wie zeigt sich G*tt?», «Was macht G*tt?» oder «Wozu G*tt?» lauten die Kapitel, welche die Besuchenden durch die persönliche Gottessuche geleiten.
Für das Kuratorenduo stellte sich dabei zunächst aber eine ganz andere Frage: «Wie geht man an ein Ausstellungsthema heran, das eigentlich nicht gezeigt und benannt werden kann – und dessen Namen man eigentlich nicht aussprechen darf?» Der Co-Kurator Domagoj Akrap verwies damit auf die jüdische Tradition. Gelöst wurde diese Problemstellung mit dem *, um Gott ein wenig unkenntlich zu machen.
Da wäre etwa die scheinbar praktische Frage «Wo wohnt Gott?» Im Himmel? Im feingliedrigen Modell des zerstörten Tempels von Jerusalem aus dem barocken Hamburg, das in der Schau zu sehen ist? Oder hat er seine Heimstatt im jeweiligen Gehirn der Gläubigen, wie es die Neurowissenschaft annimmt?
Ausstellung regt zum Nachdenken an
Letztlich wirft die Schau Fragen auf, deren Antwort die Besucherinnen und Besucher selbst finden müssen. Dazu gehört auch «Wie erreicht man G*tt?». Vielleicht mittels Ekstase, Rauschmittel, was sich an Objekten wie einer Schnupftabakdose oder einem Gewürzturm zeigt.
Und damit wäre auch die Frage beantwortet, wie Gott riecht: Nach Myrte, wenn man der jüdischen Mystik folgt. Dank eines kleinen Duftbehältnisses kann man einen kräftigen Zug Gott nehmen.
Dies ist ein Beispiel für die vielfältigen Möglichkeiten des Zugangs zu den Themen, die die Ausstellung aufgreift. Diese reichen von der ehelichen Vereinigung mit Gott in Form eines symbolischen Ehevertrages zwischen dem jüdischen Volk und Gott über zahlreiche Judaica, wie Toravorhang oder Schabbat-Leuchter bis hin zu zeitgenössischen Kunstwerken.
Ein solches ist Anselm Kiefers «Merkaba – Die sieben Himmelspaläste» ebenso wie Belu-Simion Fainarus Hühnerei samt in Miniaturformat aufgemaltem Schöpfungsbericht. Und auch eine feministische Arbeit von Helene Aylon, die in einer Bibel die zahlreichen Stellen markiert hat, die als misogyn oder gewalttätig gelesen werden können, dient als Zugang zu Gott.
Ausstellung verbindet Spiritualität mit Architektur
Bei aller spirituellen Orientierung präsentiert sich hingegen ganz handfest die Ausstellungsarchitektur. Ziegelmauern, auf denen die Besucherinnen und Besucher auch sitzen können, durchziehen die Räume. Gott kann eben auch als Baumeister der Welt gelesen werden.
In der Ausstellung finden sich 72 Objekte – in Anspielung auf die 72 Namen Gottes. Ein guter Teil der Exponate stammt aus der hauseigenen Sammlung. Auch dieser Umgang mit der Zahl hat seine Bedeutung. Weil die Numerologie in der jüdischen Spiritualität eine grosse Rolle spielt, haben sich Ausstellungsmacherin und -macher auch bei der Kuratierung daran orientiert, wie Co-Kuratorin Daniela Schmid sagte.
Im jüdischen Museum in Wien dauert die Suche nach Gott bis 5. Oktober. Museumsdirektorin Barbara Staudinger verwies darauf, dass ihre Institution das zweite jüdische Museum der Welt sei, das sich überhaupt dieses Themas annehme. Im umfangreichen Rahmenprogramm ist beispielsweise für den 22. Juli ein Gespräch mit dem Literaturnobelpreisträger Jon Fosse über sein Werk «A Shining» vorgesehen.