Das Leben in Deutschland ist teurer geworden, die Inflationsrate steigt kräftig. Doch die Prozentzahl für 2022 wurde zu Jahresbeginn beachtlich korrigiert. Was steckt dahinter?
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Im vergangenen Jahr lag der Anstieg der Verbraucherpreise im Durchschnitt bei 6,9 Prozent. - Sven Hoppe/dpa

Seit dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine hat sich das Leben in Deutschland enorm verteuert, angeschoben von hohen Energie- und Nahrungsmittelpreisen.

Wie sich die Inflation im Februar entwickelt hat, gibt das Statistische Bundesamt am Mittwochnachmittag in einer ersten Schätzung bekannt. Im vergangenen Jahr lag der Anstieg der Verbraucherpreise im Durchschnitt bei 6,9 Prozent. Zunächst hatten die Statistiker 7,9 Prozent errechnet – die höchste Rate in der Geschichte der Bundesrepublik. Was sind die Gründe für die Änderung und was sind die Folgen?

Wie wird die Inflationsrate berechnet?

Mitarbeiter der Statistischen Landesämter und deS Wiesbadener Bundesamtes notieren Monat für Monat bundesweit in Geschäften, was Obst und Gemüse, Bücher und Zeitschriften, Schuhe und Möbel kosten. Wie hoch ist die Wohnungsmiete, was kostet der Sprit an der Tankstelle? Tausende Einzelpreise von Waren und Dienstleistungen werden repräsentativ nach einem stets gleichen Schema erfasst. Ein Teil der Preise wird auch im Internet erhoben.

Welche Funktion hat der sogenannte Warenkorb?

Die Einzelpreise werden in rund 700 Güterarten zusammengefasst, die den sogenannten Warenkorb bilden. Auf dieser Grundlage berechnen die Statistiker die Entwicklung der Teuerung. Da Verbraucher nicht gleich viel beispielsweise für Kleidung wie für die Wohnungsmiete ausgeben, werden die einzelnen Posten unterschiedlich stark gewichtet. Der Posten Wohnen, zu dem vor allem insbesondere Mieten, Ausgaben für selbst genutztes Wohnen und Haushaltsenergie zählen, hat das mit Abstand grösste Gewicht.

Warum wird der Warenkorb regelmässig unter die Lupe genommen?

Das Statistische Bundesamt überprüft in der Regel alle fünf Jahre die Gewichtung und Zusammensetzung des Warenkorbes. Denn die Verbrauchs- und Einkaufsgewohnheiten der Menschen ändern sich. Auch die zunehmende Digitalisierung und der demografische Wandel schlagen sich dabei nieder. «So wird nun beispielsweise auch die Preisentwicklung von Smartwatches, Fitnesstrackern und ähnlichen Produkten, aber auch von Geh- und Alltagshilfen veröffentlicht», erläutert die Behörde.

Warum fällt die Inflation 2022 niedriger aus als berechnet?

Das liegt vereinfacht gesagt vor allem an der geänderten Gewichtung. Zwar hat der Bereich Wohnen weiterhin das grösste Gewicht, es wurde allerdings verringert. Andere Bereiche bekamen mehr Gewicht. «Hatten Haushaltsenergie und Kraftstoffe bisher ein Gewicht von mehr als 10 Prozent, beträgt dieses nun nur noch knapp 7 1/2 Prozent», erläutert Commerzbank-Volkswirt Ralph Solveen. «Zwar ist gleichzeitig das Gewicht der Nahrungsmittel um zwei Prozentpunkte gestiegen. Aber deren Preise haben nicht so massiv zugelegt wie die Energiepreise.»

Auf welcher Grundlage wurde die Gewichtung verändert?

Ausser den Ergebnissen von amtlichen Haushaltsbefragungen verwendete die Behörde bei der aktuellen Überarbeitung erstmals auch Ergebnisse der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen, die weitere Datenquellen enthalten. Damit würden die Vorteile verschiedener Quellen genutzt, argumentierte die Behörde.

Welche Folgen habe steigende Verbraucherpreise?

Klettern die Preise auf breiter Front über einen längeren Zeitraum stark, können sich die Menschen immer weniger für ihr Geld leisten und büssen einen Teil der Ersparnisse ein. Manche Preise sind direkt an die Inflation gekoppelt, zum Beispiel Indexmieten. Welche Folgen die neu berechnete Inflationsrate in diesem Fall hat, dürfte vom Einzelfall abhängen. Nach Angaben des Hausbesitzerverbandes Haus & Grund wird häufig im Mietvertrag vereinbart, dass die Anpassung nicht jedes Jahr erfolgen muss. So werde zum Beispiel eine Erhöhung vereinbart, «wenn der Verbraucherpreisindex auf ein bestimmtes, vorab definiertes Niveau gestiegen ist».

Hat die Inflationsrate Folgen für Tarifverhandlungen?

«Wir sehen kurzfristig gar keinen Anpassungsbedarf», sagt ein Sprecher der Gewerkschaft Verdi. Bei den Tarifforderungen würden auch Prognosen berücksichtigt. Diese sagten eine deutlich hohe Inflation über die Laufzeit eines Tarifvertrages voraus. «Wir legen bei den Verhandlungen im öffentlichen Dienst zudem einen Fokus auf niedrigere und mittlere Einkommensgruppen, die besonders von der hohen Inflation betroffen sind.» Studien zufolge machen notwendige Ausgaben, zum Beispiel für Nahrung, Mieten und Energie, bei weniger Einkommensstarken tendenziell einen grösseren Anteil ihres Budgets aus als bei finanzkräftigeren Privathaushalten. Verdi und der DBB Beamtenbund fordern aktuell für die Tarifbeschäftigten von Bund und Kommunen eine Steigerung der Einkommen von 10,5 Prozent, mindestens aber 500 Euro pro Monat bei einer Laufzeit von zwölf Monaten.

Was bedeutet die Änderung für die Zinspolitik der EZB?

Die Europäische Zentralbank (EZB) hat bei ihren Zinsentscheidungen die Inflation im gesamten Euroraum im Blick. Die Teuerung liegt dort seit Monaten deutlich über der mittelfristigen Zielmarke der EZB von zwei Prozent. Im Januar stiegen die Verbraucherpreise im gemeinsamen Währungsraum im Vergleich zum Vorjahresmonat um 8,6 Prozent. EZB-Präsidentin Christine Lagarde bekräftigte unlängst die Notwendigkeit weiter steigender Leitzinsen. Höhere Zinsen verteuern Kredite. Dies kann die Nachfrage bremsen und hohen Teuerungsraten entgegenwirken.

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