Ist der Beruf der Kinderkrankenschwester ein Auslaufmodell?

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Deutschland,

Die Kinderärzte in Deutschland diagnostizieren den «schleichenden Tod der Kinderkrankenschwester». Die Schuld sehen sie beim neuen Pflegeberufegesetz.

kinderkrankenschwester
Neben dem Beruf der Kinderkrankenpfleger/in gibt es nun auch Pflegefachkräfte mit pädiatrischer Vertiefung. Kritiker sehen grosse Qualitätsunterschiede. Foto: Ole Spata/dpa - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • In Deutschland gibt es ein neues Gesetz für die Pflegeberufe.
  • Die Ausbildung ist nun viel allgemeiner und soll so mehr junge Leute ansprechen.
  • Kritiker befürchten, dass z.B. Kinder nicht mehr fachgerecht betreut werden können.

Kinderarzt Wolfgang Kölfen und Kinderkrankenschwester Sylvia Croonenbroeck sind ein eingespieltes Team. Der Leiter des Zentrums für Kinder- und Jugendmedizin in Mönchengladbach schätzt das Wissen und die Erfahrung seiner Kollegin.

Pflegeberuf Kinderkrankenschwester
Sylvia Croonenbroeck (M), Kinderkrankenschwester, und Professor Wolfgang Kölfen (r), Kinderarzt. Foto: Henning Kaiser/dpa - dpa

«Die Expertise dieser Spezialistinnen für die Gesundheit von Kindern ist unverzichtbar für die Qualität der Versorgung unserer jungen Patienten», betont er. Doch der 63-Jährige befürchtet, dass der traditionsreiche Beruf der Kinderkrankenschwester im Zuge der Neuordnung der Pflegeberufe zum Auslaufmodell wird. Kritische Stimmen zur Reform, die jährlich etwa 140'000 neue Auszubildende betrifft, kommen auch aus der Altenpflege.

Generalistische Ausbildung

Kölfen bedauert, dass die Karriere als Kinderkrankenschwester bald der Vergangenheit angehören könnte: Den Pflegeschulen sei es zu aufwendig, den Abschluss anzubieten.

Nach einer Umfrage der Chefärzte der Kinderkliniken hätten 30 bis 50 Prozent von ihnen diese Spezialisierung nicht im Portfolio. Sie seien Anhänger der generalistischen Pflegeausbildung zur Pflegefachfrau oder zum Pflegefachmann mit den gleichen Theorieanteilen für alle Absolventen.

Anforderungen gesunken

«Diese Verwässerung der Qualifizierung der Kinderkrankenschwester ist ein Skandal», meint Kölfen. Damit verliere die Pflege viele engagierte junge Frauen. «Die zu uns kommen, haben eine Vision – sie wollen Kindern helfen, nicht Erwachsenen oder Senioren.»

Pflegeberuf Kinderkrankenschwester
Ein Auslaufmodell? Der Beruf der klassischen Kinderkrankenschwester könnte verschwinden. Foto: Henning Kaiser/dpa - dpa

Die 7000 Ausbildungsplätze seien heiss begehrt. Die Neuerungen konterkarierten den Ruf nach Qualität. Ob der Patient in deren Genuss komme, hänge von Zufällen ab: «Bringen Eltern ihr Kind in die Kinderklinik, können sie einer Generalistin mit maximal 120 Stunden pädiatrischer Ausbildung begegnen oder einer Kinderkrankenpflegerin mit künftig 2800 Stunden pädiatrischer Theorie und Praxis.»

Eigentlich soll das Pflegeberufegesetz die Tätigkeit in der Pflege attraktiver machen, Personalengpässe abbauen und künftige Versorgungslücken verhindern. Das Rezept der Bundesregierung gegen den Pflegenotstand ist die generalistische Ausbildung. Die Bundesregierung will die Zahl der Auszubildenden in der Pflege bis 2023 um zehn Prozent erhöhen.

Grosser Mangel an Pflegefachkräften

Das ist dringend nötig: Bis 2035 fehlen nach früheren Angaben des Instituts der Deutschen Wirtschaft je nach Szenario 130'000 bis 150'000 Pflegefachkräfte. Zugleich steigt die Zahl der Pflegebedürftigen rasch an. In diesem Jahr sind es vier Millionen ältere Menschen mit Hilfebedarf – 80 Prozent mehr als vor 20 Jahren. Laut Statistischem Bundesamt werden es 2050 rund 5,9 Millionen sein.

Sabine Brase ist von der generalistischen Ausbildung sehr angetan. «Ich bin überzeugt, dass damit mehr Auszubildende für die Pflege gewonnen werden und sich für die Arbeitnehmer wie die Arbeitgeber mehr Chancen als Risiken eröffnen.»

Ausbildung in einer Klinik bevorzugt

Viel kritischer sehen das Vertreter der Altenpflege. Wolfgang Hahl, Leiter der Mannheimer Akademie für soziale Berufe, rechnet nicht damit, dass die neuen Pflegeberufe seiner Branche mehr Azubis bescheren.

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Auch Altersheime befürchten Engpässe beim Pflegepersonal. (Symbolbild) - Pixabay

«Die Krankenhäuser können die neuen Anforderungen viel besser als Seniorenheime oder ambulante Pflegedienste erfüllen», erläutert Hahl. Denn die Auszubildenden müssen bis zu fünf Praktika absolvieren. Die meisten dieser Stationen könnten bequem unter dem Dach einer Klinik durchlaufen werden. «Ein kleiner ambulanter Dienst kann das gar nicht leisten», sagt Hahl.

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