Die Linke

Parteispitze macht sich Mut: «Die Linke wird gebraucht»

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Deutschland,

Bei der Bundestagswahl wäre die Linke beinahe untergegangen. Jetzt sucht sie den Neuanfang. Aber die Themensuche ist schwierig. Und der Präsidentschaftskandidat der Partei eckt mit einem historischen Hinweis an.

Die Co-Vorsitzenden der Linken, Susanne Hennig-Wellsow (l) und Janine Wissler (Archivbild). Foto: Jörg Ratzsch/dpa
Die Co-Vorsitzenden der Linken, Susanne Hennig-Wellsow (l) und Janine Wissler (Archivbild). Foto: Jörg Ratzsch/dpa - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Einen Satz wiederholte Janine Wissler gleich mehrfach.

«Die Linke wird gebraucht», sagte die Vorsitzende am Samstag beim digitalen Jahresauftakt ihrer Partei. Zweifel gibt es offenkundig auch in den eigenen Reihen.

Nach dem Debakel bei der Bundestagswahl im September sucht die Linke immer noch mühsam einen Neuanfang zwischen Selbstkritik und Streit. Tritt fassen will sie ausgerechnet mit dem Kernthema der Ampel-Koalition: einer radikalen Klimawende, nur schneller und gerechter.

Am Abend des 26. September war der Schock in der Partei gewaltig. Nur 4,9 Prozent der Stimmen, nach 9,2 Prozent vier Jahre zuvor. Den Wiedereinzug in den Bundestag in Fraktionsstärke schaffte die Linke nur über eine Sonderregel, weil sie drei Direktmandate gewann.

«Da können wir nicht einfach zur Tagesordnung übergehen und sagen: Wird schon wieder werden», sagte jetzt die Co-Vorsitzende Susanne Hennig-Wellsow, die die Partei seit Februar 2021 mit Wissler führt. Unter Hinweis auf Rosa Luxemburg forderte sie «solidarische Selbstkritik und mehr Debatte».

An Debatten fehlte es freilich auch in den vergangenen Wochen nicht. Als die Fraktionsspitze den bayerischen Gewerkschafter Klaus Ernst zum Chef des Klimaausschusses im Bundestag machen wollte, startete in der Partei die Kampagne «Nicht-euer-Ernst» von Kritikern, die ihn für ungeeignet hielten. Zuletzt trat die frühere DDR-Ministerin Christa Luft erbost aus der Partei aus und der ehemalige Fraktionschef Gysi beklagte die Nichtbeachtung älterer Mitglieder.

Immer wieder scheinen Fraktions- und Parteispitze uneins. Hinter vorgehaltener Hand zweifelt man gegenseitig an Eignung und Zugkraft. Offiziell will Fraktionschef Dietmar Bartsch davon nichts wissen. «Es gibt keinen Bruch zwischen der Partei- und der Fraktionsspitze», sagte Bartsch der Deutschen Presse-Agentur. «Ich sehe darin eine Kunstdebatte, die von unseren politischen Herausforderungen ablenkt.» Auch Bartsch weiss aber, dass es ums Ganze geht. «Ich habe in meiner Fraktion deutlich gesagt: Unser Auftrag ist es, dass wir nicht die letzte Fraktion der Linken im Deutschen Bundestag sind.»

Beide Seiten waren jedenfalls sichtbar erleichtert, als sie sich diese Woche zumindest auf einen Kandidaten für das Amt des Bundespräsidenten einigen konnten: den Mainzer Sozialmediziner Gerhard Trabert - bis dahin bundesweit wenig bekannt, zudem chancenlos angesichts der breiten Unterstützung für Amtsinhaber Frank-Walter Steinmeier. Aber immerhin: ein glaubwürdiger Vertreter linker Gerechtigkeitsideale, auch wenn Trabert parteilos ist.

Bei der Online-Veranstaltung am Samstag vergaloppierte sich Trabert allerdings etwas mit einem Hinweis auf die NS-Zeit, den er später auf Twitter wieder gerade rückte: Es gehe keinesfalls um eine historische Gleichsetzung.

In seiner kurzen Rede hatte er einen jüdischen Jugendlichen zitiert, der 1945 im NS-Konzentrationslager Bergen-Belsen starb. In seinem Tagebuch hatte der Junge beklagt, dass die Gesellschaft das Schicksal der Juden ignoriere. Dazu sagte Trabert: «Wie damals viele Deutsche wussten, was mit den Juden geschieht, ist es heute so, dass wir wissen, was mit geflüchteten Menschen im Mittelmeer, in libyschen, in syrischen Lagern geschieht. Wir wissen, wie die Armut zunimmt, wir wissen um die erhöhte Sterberate von armen Menschen auch hier in Deutschland.» Das alles sei ein Skandal. Trabert sprach auch von «Widerstand» gegen unsoziale Politik. Da müsse auch die Linke noch profilierter werden.

Die Partei versteht sich ja von jeher auch als systemkritisch, als «antikapitalistische Partei» mit der Vision für eine sozialistische Gesellschaft, wie es Wissler formulierte. Und genau diese Latte legt die Linke auch beim Klimaschutz an. Grob gesagt heisst die Formel: weniger Markt, mehr öffentliche Investitionen. Arme sollen möglichst wenig belastet werden, wenn der Klimaschutz Heizenergie und Autofahren teurer macht.

Schwierig, alles unter einen Hut zu bringen. Deutschland soll nach dem Willen der Linken schon 2035 klimaneutral wirtschaften - zehn Jahre früher als von der Ampel-Koalition geplant. Für den Kohleausstieg schlagen die Parteichefinnen ein fixes Datum 2030 vor - obwohl gerade in Ostdeutschland die Kohlekumpel bangen.

Und eine ostdeutsche Identität, darüber ist man sich doch ziemlich einig, will die Partei sich erhalten, zumal sie in den östlichen Bundesländern deutlich besser abschneidet als im Westen. «Die faktische Vernachlässigung des Ostens in den vergangenen zehn Jahren war ein grandioser Fehler», meint jedenfalls Bartsch, der aus Mecklenburg-Vorpommern stammt. «Die «Ossi-Komponente» müssen wir wieder glaubwürdiger vertreten und klug thematisieren.»

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