Karl Marx: «Alles, was ich weiss, ist, dass ich kein Marxist bin»
Mit Karl Marx feiert heute eine philosophische Grösse ihren 200. Geburtstag, deren Thesen im Streben nach einer gerechteren Welt noch immer brisante Aktualität besitzen. Gleichzeitig führten Diktaturen, die sich auf ihn beriefen zum Teil zu grossem Leid. Marx erlebte solche Regime nie selbst.
Das Wichtigste in Kürze
- Karl Marx würde heute seinen 200. Geburtstag feiern.
- Seine Analysen und Thesen besitzen heute nach wie vor grosse Brisanz.
- Marx selbst distanzierte sich zeitlebens von den Marxisten.
Als 2014 Thomas Pikettys Buch «Das Kapital im 21. Jahrhundert» erschien, wurde es sogleich zum Bestseller. Bis zum Ende des Jahres verkaufte sich das Buch weltweit über 800'000 mal – beachtlich für ein ökonomisches Sachbuch.
Nicht nur wegen der namentlichen Ähnlichkeit des Titels wurde Pikettys Wälzer rasch mit den Thesen Karl Marx' in Verbindung gebracht. Dieser veröffentlichte über 100 Jahre zuvor vergleichbare Schlüsse in seinem dreibändigen Buch «Das Kapital». Darin beschrieb er die Macht derjenigen Menschen, die Geld besitzen, über jene Menschen, die nichts als ihre Arbeit anzubieten haben.
Deshalb ist der Klassenkampf unausweichlich
Marx lebte zu einer Zeit, in der die Industrialisierung ihren produktiven Höhepunkt erlebte. Schneller als je zuvor profitierten die Menschen vom technologischen Fortschritt. Zu verdanken war dies der Leistungsfähigkeit der kapitalistischen Wirtschaftslogik.
Der weitgehend deregulierte Industriekapitalismus führte allerdings ebenso zu einer einseitigen Verteilung der erwirtschafteten Gewinne. Wer finanzielle Möglichkeiten (Kapital) besass, fand Wege diese zu vermehren. Zugleich werden nach Ansicht Marx' jedoch die Arbeiter zu Knechten der Maschinen, der Fabrikbesitzer und eintöniger Arbeiten.
Marx bemängelte, dass die Arbeiterklasse für die Vermehrung des Kapitals von der besitzenden Klasse ausgenutzt würde. Der Arbeiter produziere schliesslich nicht nur Produkte, sondern auch finanzielle Erlöse, also Kapital. Dafür erhält er aber lediglich einen bescheidenen Lohn. Marx rief daher zum Klassenkampf auf. Er forderte mehr Mitbestimmungsrechte der Fabrikarbeiter und damit eine grössere Teilhabe am Mehrwert ihrer Arbeit.
Das verhängnisvolle Missverständnis
Die ausgeweitete materielle Teilhabe sah Marx als unausweichliche Entwicklung, die aus den unausgeglichenen Teilhabebedingungen des Kapitalismus hervorgehen würde. Anders als später im Kalten Krieg immer wieder propagiert wurde, sah er seine Vorstellungen aber nicht als Konkurrenz zum kapitalistischen System. Vielmehr sollte es eine qualitative Erweiterung des Kapitalismus sein, deren Erträge allen Bevölkerungsschichten zugutekommt.
Angesichts einer sich auch heute wieder stärker öffnenden Schere zwischen Arm und Reich werden Marx' Thesen wieder aktuell, was den einleitend beschriebenen Erfolg der Analysen von Piketty erklären dürfte.
Um die tatsächliche Auslegung seiner Leitideen zeigte sich Marx zu Ende seiner Lebzeit besorgt. So soll er wegen der sich entwickelnden Variante eines französischen Marxismus gesagt haben, dass er selbst kein Marxist sei, sollte dies die Auslegung seiner Theorie darstellen. Marx starb 1883 und erlebte keine der vermeintlich umgesetzten marxistischen Systeme. Bei der Russischen Revolution von 1918, welche die Umsetzung der marxistischen Idee verkündete, war er bereits ein Vierteljahrhundert tot.
Die Utopie vom Ende der Geschichte
Immer wieder wurden Marx' Ideen von Despoten zur Legitimation ihrer diktatorischen Systeme missbraucht. Dies könnte indes mit seiner zielgerichteten, teleologischen Ansicht zusammenhängen, dass der letztendlich zu verwirklichende Kommunismus in einem selbstbestimmten Paradies der Arbeiterschaft gipfelt. Eine solche Zukunftsvorstellung dürfte indes ähnlich utopisch sein, wie das Weltbild, dass die Menschheit nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion im Kapitalismus ihre finale Erlösung gefunden habe.