Keine Anklage zur Corona-Ausbreitung in Ischgl
Ischgl hat mit seinen Après-Ski-Partys als Corona-Hotspot im März 2020 traurige Berühmtheit erlangt. Eine Anklage wegen schuldhaften Handelns will die Staatsanwaltschaft dennoch nicht erheben.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Staatsanwaltschaft hat die strafrechtlichen Ermittlungen zur Corona-Ausbreitung im österreichischen Skiort Ischgl im Frühjahr 2020 eingestellt.
«Es kommt zu keiner Anklage», teilte die Behörde am Mittwoch in Innsbruck mit. Es gebe keine Beweise dafür, «dass jemand schuldhaft etwas getan oder unterlassen hätte, das zu einer Erhöhung der Ansteckungsgefahr geführt hätte», hiess es in der Begründung.
Ischgl galt im März 2020 auch wegen seiner Après-Ski-Szene als ein Hotspot der Verbreitung des Virus. Der Ort sowie das gesamte Paznauntal wurden schliesslich unter teils chaotischen Umständen unter Quarantäne gestellt. Im Visier der Ermittlungen standen fünf Amtsträger.
15.000 Seiten Beweismaterial gesichtet
Geprüft worden seien die Massnahmen nach Bekanntwerden der ersten Infektionsfälle, die Erlassung und Umsetzung von Verordnungen über Schliessung von Lokalen, des Skibetriebes und die weiteren Verkehrsbeschränkungen in Ischgl beziehungsweise die Quarantäne im Paznauntal, so die Staatsanwaltschaft. Der Ermittlungsakt umfasse 15.000 Seiten Protokolle, Berichte und sonstiges Beweismaterial. Um die Abläufe nachvollziehen und bewerten zu können, seien 27 Personen durch die Staatsanwaltschaft vernommen worden.
Den Behörden war vorgeworfen worden, zu spät und nicht umfassend genug reagiert zu haben. Ein bereits präsentierter Expertenbericht sah kein Versagen, aber Fehleinschätzungen der Behörden. Druck aus der Tourismuswirtschaft auf Entscheidungsträger wurde nicht festgestellt. Vor dem Landgericht Wien sind zahlreiche Zivilverfahren anhängig, in denen unter anderem die Angehörigen deutscher Opfer auf Schadenersatz klagen.
Vom Verbraucherschutzverein (VSV), der die Interessen der Kläger in Wien vertritt, kam Kritik. «Ich habe den Eindruck, dass hier ein Behördenskandal weitgehend vertuscht werden soll», sagte VSV-Vorstand Peter Kolba. Der Verein werde alles tun, um das «Multiorganversagen» der Behörden im Fall Ischgl aufzudecken. In den Akten liessen sich gravierende Behördenfehler lückenlos nachweisen. Die Staatsanwaltschaft habe offenbar nur Fehler auf der Ebene des Landes Tirol untersucht, aber Fehler auf der Ebene der Bundesregierung bisher überhaupt nicht berücksichtigt, sagte Kolba.