Rishi Sunak gratuliert Labour zum Wahlsieg in Grossbritannien
Die Labour-Partei dürfte die britischen Parlamentswahlen deutlich gewinnen. Premier Rishi Sunak gesteht seine Wahlniederlage bereits ein.
Das Wichtigste in Kürze
- Der Labour-Partei dürfte bei den britischen Wahlen ein Erdrutschsieg gelingen.
- Die Tories von Premier Sunak verlieren fast zwei Drittel ihrer Sitze.
- Sunak hat Labour-Chef Keir Starmer bereits zum Wahlsieg gratuliert.
Die Labour-Partei von Keir Starmer hat die Parlamentswahl in Grossbritannien einer Prognose zufolge klar gewonnen. Der 61-Jährige dürfte damit Nachfolger von Premierminister Rishi Sunak werden, dessen Konservative Partei eine schwere Niederlage erlitt.
Rishi Sunak selbst hat die Niederlage seiner Konservativen Partei bei der Parlamentswahl auch bereits eingeräumt. «Die Labour-Partei hat diese Parlamentswahl gewonnen, und ich habe Sir Keir Starmer angerufen, um ihm zu seinem Sieg zu gratulieren», sagte der Regierungschef. Die Briten hätten «ein ernüchterndes Urteil» gefällt. «Ich übernehme die Verantwortung dafür.»
Seinen eigenen Wahlkreis gewann Sunak deutlich, er deutete aber seinen Rückzug von der Parteispitze an. Er freue sich darauf, in den kommenden Wochen mehr Zeit in seinem Wahlkreis zu verbringen, sagte er und kündigte einen geordneten Machtwechsel an.
Die jüngste BBC-Prognose sieht Labour bei 405 der 650 Sitze im Unterhaus (House of Commons), etwas weniger als zunächst angenommen. Bei der vorigen Wahl 2019 hatte die Partei bloss 202 Mandate geholt. Die Konservativen brechen demnach von 365 auf 154 Sitze ein. Die Regierungsmehrheit von Labour wäre damit doppelt so gross wie die der Konservativen bisher.
Die Auszählung dauerte am Morgen weiter an, doch am wichtigsten Ergebnis der Wahl zweifelt niemand mehr: Die 14 Jahre währende Dominanz der konservativen Tories ist krachend beendet.
Viele Stimmen gingen an die rechtspopulistische Partei Reform UK. Deren Vorsitzender Nigel Farage, der einst den Brexit massgeblich vorangetrieben hatte, schaffte es im achten Anlauf erstmals ins Unterhaus.
Designierter Premierminister Starmer verspricht Wandel
Der designierte britische Premierminister Keir Starmer hat in seiner ersten Reaktion nach der Parlamentswahl Veränderungen im Land versprochen. «Die Menschen haben gesprochen, sie sind bereit für den Wandel», sagte der Chef der Labour-Partei in seinem Wahlkreis in Nordlondon. «Sie haben abgestimmt und es ist an der Zeit, dass wir liefern.»
Der Wandel beginne jetzt, rief Starmer in London jubelnden Anhängern zu. «Im ganzen Land werden die Menschen zu der Nachricht aufwachen, erleichtert, dass eine Last von ihren Schultern genommen wurde.»
Grossbritannien könne nach 14 Jahren konservativer Regierung wieder nach vorn schauen. «Das Sonnenlicht der Hoffnung, das zunächst blass ist, aber im Laufe des Tages stärker wird, strahlt wieder auf ein Land, das nach 14 Jahren die Chance hat, seine Zukunft zurückzubekommen.»
Das Regierungsmandat gehe mit grosser Verantwortung einher, sagte der Labour-Chef. «In der Politik ist nichts vorherbestimmt. Wahlsiege fallen nicht vom Himmel – sie sind hart erkämpft.» Der Erfolg sei nur möglich gewesen, weil er die Partei verändert habe. Die Briten hätten gesehen, dass Labour ihren Interessen diene. «Und das hört jetzt nicht auf.»
Starmer gewann auch seinen Wahlkreis Holborn and St Pancras deutlich. Allerdings verlor der 61-Jährige im Vergleich zur vorigen Abstimmung 2019 rund 17 Prozentpunkte. Das lag vor allem an der überraschend hohen Zustimmung für einen unabhängigen Kandidaten, der sich deutlich gegen das israelische Vorgehen im Gazastreifen ausgesprochen hatte.
Weniger Begeisterung für Labour als Verdruss über die Tories
Überraschend ist das prognostizierte Ergebnis nicht: Umfragen sagen seit Langem einen deutlichen Sieg der Sozialdemokraten voraus. Im Wahlkampf konnte Sunak, dessen Partei mit Pannen und einem Skandal um illegale Wetten zum Wahltermin zu kämpfen hatte, kaum aufholen.
Verantwortlich für den klaren Ausgang der Wahl ist nach Ansicht des renommierten Meinungsforschers John Curtice von der Universität Strathclyde in Glasgow jedoch nicht in erster Linie Begeisterung für Labour, sondern Verdruss über die bisherige Regierungspartei. Sunak war bereits der dritte Regierungschef seiner Partei in der vergangenen Legislaturperiode. Diese war von wirtschaftlicher Stagnation und stark steigenden Lebenshaltungskosten geprägt.
Schon am Freitag dürfte Starmer als neuer Premier in der Downing Street stehen
Labour-Chef Starmer hatte die Arbeiterpartei in den vergangenen Jahren wieder in die politische Mitte geführt, nachdem sie unter seinem Vorgänger Jeremy Corbyn weit nach links gerückt war. Zudem ging er entschieden gegen antisemitische Tendenzen in den eigenen Reihen vor.
Gleichzeitig blieb der bisherige Oppositionschef in vielen Bereichen eher vage, etwa zu den Plänen für eine mögliche Annäherung mit der Europäischen Union. Kommentatoren verglichen seine behutsame Art mit dem Tragen einer Porzellanvase aus der chinesischen Ming-Dynastie.
Der Regierungswechsel wird in Grossbritannien rasch vollzogen. Sobald das amtliche Endergebnis feststeht, kommt es zur Machtübergabe. Schon im Laufe des Freitags dürfte Starmer von König Charles III. mit der Regierungsbildung beauftragt werden und anschliessend bei einer Rede in der Downing Street seine Vision für Grossbritannien darlegen.