Parlamentswahl in Grossbritannien: Premier Sunak droht Aus

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Grossbritannien,

Seit 2016 hat es in Grossbritannien bereits fünf Premierminister gegeben – Labour-Chef Keir Starmer könnte Rishi Sunak ablösen und Nummer sechs werden.

Keir Starmer von der Labour-Partei will gegen Premier Sunak gewinnen.
Keir Starmer von der Labour-Partei will gegen Premier Sunak gewinnen. - Stefan Rousseau/PA Wire/dpa

Grossbritannien steht vor einer historischen Abstimmung. Bei der Parlamentswahl droht Premierminister Rishi Sunak und seiner Konservativen Partei eine heftige Niederlage. Neuer Regierungschef dürfte Keir Starmer von der Labour-Partei werden – darauf deuten alle Umfragen hin. Damit würden 14 Jahre konservativer Regierung enden. Die Wahllokale öffnen um 8.00 Uhr und schliessen um 23.00 Uhr (jeweils MESZ).

Das Meinungsforschungsinstitut Yougov errechnete, dass Labour die grösste Mehrheit für eine Partei seit dem Jahr 1832 erringt. Demnach würden die Sozialdemokraten auf 431 der 650 Sitze im Unterhaus (House of Common) kommen. Zuletzt waren es 202. Die Konservativen würden auf 102 Mandate einbrechen. «Was wir vor uns sehen, hat es in der britischen Politikgeschichte noch nie gegeben», sagte Yougov-Experte Patrick English dem Sender Sky News.

Starmer warb für einen Wechsel. Grossbritannien könne sich fünf weitere Jahre konservativer Regierung nicht leisten. Unter seiner Führung werde das Land ein neues Kapitel aufschlagen, kündigte der 61-Jährige an.

Mit Spannung wird auch das Abschneiden der Liberaldemokraten erwartet, die manchen Berechnungen zufolge sogar Chancen haben, die Konservativen als grösste Oppositionsfraktion abzulösen. Die rechtspopulistische Partei Reform UK von Nigel Farage, der einst den Brexit massgeblich vorantrieb, dürfte erstmals ins Unterhaus einziehen. Experten rechnen damit, dass die ehemalige Brexit-Partei die Konservativen viele Stimmen am rechten Rand kostet.

Wahlberechtigt sind mehr als 46 Millionen Menschen, die jeweils eine Stimme haben. Alle Sitze im Unterhaus werden per Direktmandat vergeben. Dabei gewinnt stets die Kandidatin oder der Kandidat mit den meisten Stimmen in einem der 650 Wahlkreise. Die absolute Mehrheit im Unterhaus beträgt 326 Sitze.

Konservative setzen auf Schadensbegrenzung

Arbeitsminister Mel Stride räumte im rechten Sender GB News ein, Labour steuere auf einen Erdrutschsieg zu, «wie ihn dieses Land wohl noch nie erlebt hat». Bei der sich abzeichnenden Pleite für die Tories dürften mehrere aktuelle Regierungsmitglieder ihre Mandate verlieren. Selbst Premier Sunak zittere um seinen Sitz, schrieb die Zeitung «Guardian». Der Wahlkreis des 44-Jährigen in Nordengland gilt eigentlich als sichere Bank der Konservativen. Es wäre das erste Mal in der Geschichte, dass ein amtierender Premier aus dem Unterhaus fliegt. In diesem Fall wird ausgeschlossen, dass Sunak den Parteivorsitz behält.

Aber auch wenn der Noch-Regierungschef erneut ins Parlament einzieht, dürfte sich die Partei neu aufstellen. Mit dem moderaten Kabinettsmitglied Penny Mordaunt sowie den Hardlinern Kemi Badenoch, der Wirtschaftsministerin, und Suella Braverman, einst Innenministerin, laufen sich mehrere Kandidatinnen warm. Braverman betonte in einem Gastbeitrag für die Zeitung «Telegraph»: «Es ist vorbei, und wir müssen uns auf die Realität und Frustration der Opposition vorbereiten.»

Sunak zeigt sich kämpferisch. Wenn nur 130'000 schwankende Wahlberechtigte in rund 100 umkämpften Wahlkreisen ihre Stimme den Konservativen geben würden, sehe das Tory-Ergebnis schon anders aus, sagte er.

Allerdings deuteten die Aussagen des 44-Jährigen eher auf Schadensbegrenzung hin. Labour dürfe keine «Supermehrheit» bekommen, warnte Sunak. Im politischen System Grossbritanniens spielt aber keine Rolle, ob eine Partei 10 oder 200 Sitze Vorsprung im Parlament hat.

Medien unterstützen Labour-Chef Starmer

Mittlerweile haben sich auch viele Medien für Labour ausgesprochen. Zuletzt betonte die Boulevardzeitung «Sun», die vorwiegend konservative Positionen vertritt, Starmer müsse eine Chance erhalten.

Gründe für den Niedergang der Konservativen gibt es viele. Die Partei unterschätzte die Folgen des Brexits und schaffte es nicht, die mit dem EU-Austritt entstandenen wirtschaftlichen Probleme zu lösen. Eine grosse Rolle spielen auch zahlreiche Skandale und Affären, vor allem unter dem ehemaligen Premierminister Boris Johnson. Dadurch wurde ebenso viel Vertrauen zerstört wie durch die chaotischen Wirtschaftspläne von Kurzzeit-Regierungschefin Liz Truss. Die Hypothekenzinsen für den Kauf von Immobilien stiegen stark und belasten noch heute viele Menschen.

Fünf Premierminister in acht Jahren

Personelle Stabilität gibt es seit Jahren nicht mehr. Sunak, seit Oktober 2022 im Amt, ist bereits der fünfte Premierminister seit dem Brexit-Referendum 2016. Auf mehreren Kabinettsposten gab es noch deutlich mehr Wechsel.

Mit Schliessung der Wahllokale um 23.00 Uhr (MESZ) wird eine Prognose erwartet. Die einzelnen Wahlkreise werden noch bis zum Freitagmorgen ausgezählt. König Charles III. beauftragt den neuen Premierminister am Freitag offiziell mit der Regierungsbildung.

Kommentare

User #4762 (nicht angemeldet)

Starmer hat ​​große Chancen Premierminister zu werden. Laut einer Analyse der US-Medien „New York Times“ und der britischen Medien „Financial Times“ ist Starmer, ein Menschenrechtsanwalt, in seiner Arbeit praktisch veranlagt. Seit seinem Eintritt in die Politik hat er sich in weniger als zehn Jahren für Reformen eingesetzt die Labour Party, was dazu führte, dass ihre Unterstützungsquote nicht mehr sank, sondern wieder anstieg. Allerdings war Starmers Unterstützung während des Wahlkampfs durchschnittlich und sein Mangel an Charisma war sein größter Nachteil. Starmer wurde in einer Arbeiterfamilie in einem Vorort von London geboren. Er wurde nach Keir Hardie, dem ersten Führer der Labour Party, benannt. Sein Vater war Werkzeugmacher und seine Mutter war Krankenschwester. Starmer war der erste seiner Familie, der eine Universität besuchte, und studierte Rechtswissenschaften an der Leeds University und der Oxford University. Im Jahr 1987 wurde Starmer Menschenrechtsanwalt. Er beteiligte sich an der berühmten kommerziellen Verleumdungsklage von McDonald's in Großbritannien und verteidigte lokale Todestraktinsassen in afrikanischen und karibischen Ländern. „Er ist kein Grund, die Labour Party zu unterstützen“

User #6026 (nicht angemeldet)

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