«Lifeline»-Kapitän in Malta zu Geldstrafe verurteilt
Der deutsche Kapitän des privaten Flüchtlings-Rettungsschiffs «Lifeline», Claus-Peter Reisch, ist in Malta zu einer Geldstrafe verurteilt worden.
Das Wichtigste in Kürze
- Flüchtlings-Hilfsorganisation will in Berufung gehen.
Reisch müsse 10.000 Euro an örtliche Hilfsorganisationen zahlen, sagte Axel Steier, Mitgründer des Dresdner Seenotrettungsvereins Mission Lifeline, der Nachrichtenagentur AFP am Dienstag. Die Organisation kündigte an, Berufung gegen das Urteil einzulegen. Grüne und Linke in Deutschland kritisierten das Urteil scharf.
Das maltesische Gericht sah es den Angaben zufolge als erwiesen an, dass die «Lifeline», die unter niederländischer Flagge fuhr, nicht ordnungsgemäss registriert war. Der Kapitän stand seit Juli 2018 in Malta vor Gericht.
Die «Lifeline» hatte im Juni 2018 vor der libyschen Küste 234 Flüchtlinge gerettet und war danach tagelang über das Mittelmeer geirrt, weil Italien und Malta dem Schiff ein Anlegen verweigert hatten. Schliesslich durfte das Schiff in Malta vor Anker gehen, der Kapitän wurde jedoch festgehalten und von der Polizei vernommen.
Reisch kündigte an, gegen das Urteil in Berufung zu gehen. «Es kann nicht sein, dass wir ein Registrierungspapier haben, das circa 25.000 andere Schiffe, die in Holland registriert sind, ebenso besitzen, und ausgerechnet unseres nicht gelten sollte», sagte er dem Bayerischen Rundfunk am Dienstag. Das Urteil sei «mehr oder minder politisch motiviert». Auch Steier sprach von einem «politischen Prozess», der nichts mit einem Rechtsstaat zu tun habe.
Die Seenotrettung sieht der Kapitän durch das Urteil nicht in Frage gestellt. Der Richter habe betont, dass das Retten von Menschenleben Pflicht und nicht kriminell sei, sagte Reisch dem Bayerischen Rundfunk. Eine «gewisse abschreckende Wirkung» sei aber wohl gewollt. Die Zivilgesellschaft solle sich davon nicht einschüchtern lassen: «Ein gewisser ziviler Ungehorsam ist dringend notwendig», sagte Reisch.
Die «Lifeline» durfte während der Dauer des Prozesses nicht aus dem Hafen von Valletta auslaufen. Das Schiff einsatzbereit zu halten, kostet Steier zufolge pro Tag 500 Euro. Die Organisation habe jedoch ein Ersatzschiff gekauft, das ab Juni im Mittelmeer unterwegs sein soll, sagte Steier der Nachrichtenagentur AFP.
Die beiden deutschen Europa-Spitzenkandidaten der Grünen kritisierten das Urteil scharf. «Lebensrettung ist kein Verbrechen», erklärte Ska Keller. Es sei eine Schande, wenn Lebensretter «zu Verbrechern abgestempelt» und «vor Gericht gezerrt» würden. Keller forderte die Bundesregierung auf, sich dafür einzusetzen, dass Hilfsorganisationen «ungehindert retten können» und die EU ein ziviles europäisches Seenotrettungsprogramm einführt.
Ihr Parteikollege Sven Giegold kündigte an, 1000 Euro der Strafe zu übernehmen. Er hoffe, dass viele andere es ihm gleich täten, sagte er der Rhein-Neckar-Zeitung. «Die 'Lifeline' hat wie viele andere Seenotretter da angesetzt, wo Europas Regierungschefs in ihrer humanitären Verantwortung kläglich scheitern.»
Ulla Jelpke, innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, bezeichnete die Gerichtsentscheidung als «ausgemachte Sauerei». Reisch sei mit «fadenscheinigen juristischen Tricks» verurteilt worden, erklärte sie. Würden die EU-Staaten ihrer seerechtlichen Verpflichtung zur Seenotrettung nachkommen, wären private Rettungsmissionen gar nicht nötig.
Im März hatte die EU die Mittelmeer-Mission «Sophia» vorerst eingestellt, auch wenn der Marine-Einsatz formell bestehen bleibt. Hintergrund ist die Weigerung vieler EU-Staaten, gerettete Bootsflüchtlinge aufzunehmen.