Nach der letztjährigen Vergabe des Literaturnobelpreises wird er dieses Jahr wohl kaum an einen Europäer gehen.
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Am 8. Oktober wird der Gewinner des Literaturnobelpreises 2020 bekannt gegeben. - Pixabay

Das Wichtigste in Kürze

  • Am 8. Oktober wird der Gewinner des diesjährigen Literaturnobelpreises bekannt gegeben.
  • Kritiker stellen bereits erste Spekulationen zum Gewinner an.
  • Ein Europäer wird es wahrscheinlich nicht sein.
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Fast 200 Kandidaten sind dieses Jahr im Rennen um den prestigeträchtigsten Literaturpreis der Erde. Wer ihn bekommt, bleibt bis Donnerstag, den 8. Oktober, ein Geheimnis. Literaturexperten haben aber ihre Favoriten.

Es hätte alles so entspannt laufen können nach dem grossen Skandal: Die schwere Krise mit all ihren internen Grabenkämpfen hätte wahrscheinlich ein für alle Mal beendet werden können. Die schwedische Akademie hätte bei der Doppelvergabe der Literaturnobelpreise 2019 lediglich mit zwei grundsoliden Preisträgern auf Nummer sicher gehen sollen. Stattdessen wählte die Institution in Stockholm neben der Polin Olga Tokarczuk den umstrittenen Österreicher Peter Handke und geriet ins Kreuzfeuer.

Mittelgrosse Krise bei der Akademie

«International betrachtet ist das eine mindestens mittelgrosse Krise gewesen.» So der Kulturchef der schwedischen Tageszeitung «Dagens Nyheter», Björn Wiman, über Handkes Auszeichnung. Zuvor befand sich die Akademie wegen ihrer mittlerweile ausgetretenen Mitglieder Katarina Frostenson und ihrem Ehemann Jean-Claude Arnault in einer Krise. Indem der Preis an «einen ungeheuer kontroversen Schriftsteller» verliehen wurde, stolperte sie ein Jahr später in den nächsten Skandal.

Peter Handke
Der umstrittene Schriftsteller Peter Handke. - dpa

Wer aber auf der Liste für 2020 steht und wer den Nobelliteraturpreis erhalten wird, lässt sich wie üblich nur spekulieren: Die Namen werden traditionell für 50 Jahre geheimgehalten. 197 nominierte Kandidaten kommen dafür in diesem Jahr infrage. Laut Akademie sind darunter 37, die zum ersten Mal nominiert worden sind.

Der Gewinner wird dieses Jahr mit einem Preisgeld von zehn Millionen Kronen (rund eine Million Franken) gekürt.

Langjährige Favoriten vorhanden

Eine Antwort wird der Ständige Sekretär Mats Malm am Donnerstag, 8. Oktober, um Punkt 13.00 Uhr liefern. Dazu wird er im prunkvollen Börshuset in der Stockholmer Altstadt vor die Presse treten.

Denis Scheck
Der Literaturkritiker Denis Scheck spekuliert bereits über den Gewinner des Literaturnobelpreises 2020. - Keystone

Der deutsche Literaturkritiker Denis Scheck meint, «man müsste eigentlich immer viele Nobelpreise vergeben.» Er persönlich hält zunächst vor allem einen für preisverdächtig. «Ich vertrete seit vielen Jahren die Ansicht, dass Thomas Pynchon den Literaturnobelpreis nun wirklich verdient hätte», sagte Scheck der dpa.

Mit Werken wie «Gravity's Rainbow» und «Against the Day» sei Pynchon einer der grossen Innovatoren der Prosa gewesen.

Scheck vertraut auf Jury

Allerdings schätzt Scheck die Erfolgsaussichten für einen weissen US-Amerikaner als sehr gering ein. Auch an einen Preisträger aus Deutschland glaubt er nicht – obwohl er einen Favoriten zur Hand hätte. «Die Nobelpreis-Jury würde eine kluge Entscheidung treffen, wenn sie Hans Magnus Enzensberger küren würde», sagt er.

Denis Scheck
Denis Scheck bei einem Gespräch in Zürich. - Keystone

Enzensberger habe sich immer wieder neu erfunden, eine «quecksilbrige Intelligenz» und dabei auch das Lachen nicht vergessen. «Und wenn es Martin Walser würde, dann würde ich mich auch freuen, sehr sogar», ergänzt er.

Scheck hat noch drei weitere Namen im Angebot, deren Werk eine Ehrung rechtfertigen würde: Zum einen nennt er den Somalier Nuruddin Farah, der viel mehr als nur ein Chronist des Bürgerkriegs in Somalia sei. Er zähle zu den ganz grossen Schriftstellern.

Atwood immer wieder im Fokus

Verdient habe es auch der US-Autor Richard Ford. Dieser überzeuge ihn von Buch zu Buch immer mehr und verbinde psychologische Raffinesse mit stilistischer Brillanz. Und dann wäre da noch Margaret Atwood, die schon seit längerem immer wieder für den Nobelpreis gehandelt wird.

Margareth Atwood
Die kanadische Schriftstellerin Margaret Atwood bei einer Pressekonferenz in London. - Keystone

«Sie ist eine Autorin, die verschiedene Konzepte in einer Art literarischer Kernfusion miteinander verschmilzt», sagt Scheck. Dazu zähle ein überaus starker Naturbezug. Zudem sei die Kanadierin ebenso brillante Lyrikerin wie Romanautorin. Und als wäre das nicht genug, finde sich bei ihr auch ein «wunderbar humoristischer Feminismus».

Dieses Jahr kein Europäer

Auch «DN»-Kulturchef Wiman sieht in Atwood eine gute Wahl. Seine Hauptfavoritin ist aber eine andere. «Ich denke, es sollte Jamaica Kincaid werden», sagt er. «Sie ist eine brillante Schriftstellerin und auch eine intellektuelle Person – das ist etwas, was Handke nicht verkörpert.»

Kincaid stammt von der Karibik-Insel Antigua und lebt in den USA. Wiman ist sich nach der Wahl einer Polin und eines Österreichers im Vorjahr aber vor allem in einem sicher: «Es wird diesmal kein Preisträger aus Europa.»

Die Lage bei der schwedischen Akademie hat sich mittlerweile etwas beruhigt. Wiman geht davon aus, dass sich die Institution bei der Bekanntgabe des diesjährigen Preisträgers kein neues Problem schaffen wird. «Ich glaube, dass sie eine sichere Wahl treffen werden.»

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