Maas fordert «Luft der Freiheit» für Menschen in Ägypten
Ägypten gilt als wichtiger Partner Deutschlands, wenn es um Migration, Terrorismusbekämpfung und regionale Stabilität geht. Das harte Vorgehen der Regierung gegen Oppositionelle stösst aber auf heftige Kritik. Aussenminister Maas spricht in Kairo beides an.
Das Wichtigste in Kürze
- Nach dem harten Vorgehen der ägyptischen Regierung gegen Demonstranten hat Bundesaussenminister Heiko Maas bei einem Besuch in Kairo die Achtung der Menschenrechte angemahnt.
Es sei im ägyptischen Interesse, dass die Menschen dort sich auf gewisse Rechtsstandards berufen und «die Luft der Freiheit atmen» könnten, sagte der SPD-Politiker am Dienstag nach einem Treffen mit Präsident Abdel Fattah al-Sisi. «Alles andere führt zur Unzufriedenheit, so wie wir sie auch vor kurzem in Ägypten erlebt haben.»
Im September war es in Kairo und anderen ägyptischen Städten trotz strenger Auflagen erstmals seit Jahren wieder zu Protesten gegen die politische Führung gekommen. Dabei hatten die Demonstranten auch den Sturz Al-Sisis gefordert.
Der Menschenrechtsorganisation Egyptian Commission for Rights and Freedoms (ECRF) zufolge wurden im Zusammenhang mit den Protesten mehr als 4300 Menschen festgenommen. Die Staatsanwaltschaft erklärte, etwa 1000 Menschen seien wegen ihrer möglichen Beteiligung an den Demonstrationen befragt worden. Zur Zahl der Festnahmen hat die Regierung bisher keine Angaben gemacht.
Maas' Besuch in Ägypten war der erste eines deutschen Aussenministers seit mehr als vier Jahren. Früher gab es solche Besuche viel häufiger. Der SPD-Politiker sprach eineinhalb Stunden mit Al-Sisi. Neben seiner Kritik an der Menschenrechtslage betonte er anschliessend auch, dass Ägypten ein «wichtiger Partner» sei, um die Stabilität in der Region zu gewährleisten. Als Beispiele nannte er die Konflikte in Libyen sowie zwischen Israel und den Palästinensern. «Man braucht beides: den Dialog mit Ägypten, aber auch den Ausdruck der Erwartungshaltung bei den Bürger- und Freiheitsrechten», sagte der Aussenminister.
Beim Thema Menschenrechte setzte er sich bei Al-Sisi auch für einzelne Personen ein. Details zu den Fällen wurden aber nicht genannt. Bereits am Montagabend führte Maas ein Gespräch mit Vertretern der sogenannten Zivilgesellschaft. An solchen Gesprächen nehmen in der Regel auch Personen teil, die der Regierung kritisch gegenüberstehen. Um die Teilnehmer des Gesprächs zu schützen, wurden aber keine Namen genannt.
Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch geht davon aus, dass es seit Al-Sisis Amtsantritt im Jahr 2014 schon mehr als 60 000 Festnahmen aus politischen Gründen gab. Das Europäische Parlament hatte die jüngsten Fälle vergangene Woche scharf verurteilt und in einer Resolution eine «tiefgreifende und umfassende Überprüfung» der EU-Beziehungen mit Ägypten gefordert. Auch die laufende Budgethilfe müsse dabei «ernsthaft» in Betracht gezogen werden.
Zudem werden die EU-Länder gedrängt, auch Sanktionen wie Reiseverbote in Betracht zu ziehen. «Das ist die schärfste Resolution zu Ägypten, die wir je hatten», sagte die deutsche Grünen-Abgeordnete im Europaparlament, Hannah Neumann, die sich für die Resolution eingesetzt hatte.
Der ägyptische Aussenminister Samih Schukri wies nach einem Treffen mit Maas den Vorwurf zurück, die Regierung schränke Bürgerrechte ein. «Jeder, der die Situation in Ägypten beobachtet, wird sehen, dass Meinungsfreiheit garantiert ist», sagte er auf einer gemeinsamen Pressekonferenz. Es gebe viele Medien, die sich mit unterschiedlichen Themen befassten und in denen unterschiedliche Meinungen geäussert würden.
Thema in dem Gespräch zwischen Maas und Al-Sisi waren auch die deutschen Rüstungsexporte nach Ägypten. In diesem Jahr ist das Land bisher hinter Ungarn zweitbester Kunde der deutschen Rüstungsindustrie. Bis zum 30. September genehmigte die Bundesregierung Exporte in Höhe von 802 Millionen Euro. Maas betonte, dass auch hier jeder Einzelfall sorgfältig abgewogen werde. «Und deshalb ist auch an der Stelle die Rüstungspolitik der Bundesregierung ausserordentlich restriktiv.»
Die Rüstungslieferungen an Ägypten sind brisant, weil das bevölkerungsreichste nordafrikanische Land zu der von Saudi-Arabien geführten Allianz gehört, die im Jemen gegen die vom Iran unterstützten Huthi-Rebellen kämpft. Das ägyptische Militär gibt aber keine Auskunft darüber, wie genau die Beteiligung aussieht. Union und SPD hatten sich in ihrem Koalitionsvertrag vorgenommen, Exporten an die «unmittelbar» am Jemen-Krieg beteiligten Staaten einen Riegel vorzuschieben.
Die Rüstungsexporte sind aber auch angesichts der Menschenrechtslage in Ägypten heikel. Denn in den gerade erst aktualisierten Rüstungsexportrichtlinien der Bundesregierung heisst es: «Der Beachtung der Menschenrechte im Bestimmungs- und Endverbleibsland wird bei den Entscheidungen über Exporte von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern besonderes Gewicht beigemessen.»
Maas kündigte an, dass Al-Sisi am 19. November zu einem Afrika-Gipfel mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nach Deutschland kommen werde. Für den Aussenminister war Ägypten die dritte Station seiner Nordafrika-Reise. Zuvor war er in Libyen und Tunesien. Am Abend wollte er nach Deutschland zurückreisen.