Haftbefehl gegen Tatverdächtigen von Limburg erlassen
Das Wichtigste in Kürze
- Ein Mann stiehlt in der Innenstadt von Limburg einen Lastwagen, rammt mehrere Autos und verletzt acht Menschen.
Wegen der Tatvorwürfe versuchter Mord, gefährliche Körperverletzung und gefährlicher Eingriff in den Strassenverkehr ist am Dienstag Haftbefehl gegen einen 32-jährigen Tatverdächtigen erlassen worden.
Der Syrer sitzt in Untersuchungshaft, wie ein Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Abend sagte.
«Auch wenn der Tathergang an die schrecklichen Anschläge von Nizza oder Berlin erinnert, ist das Motiv des festgenommenen Mannes nach wie vor unklar», erklärte Hessens Innenminister Peter Beuth (CDU). Der tatverdächtige Syrer habe nach derzeitigen Erkenntnissen keine Verbindungen in die gewaltbereite islamistische Szene gehabt.
Die für Terrorermittlungen zuständige Bundesanwaltschaft verzichtete am Dienstag darauf, den Limburger Fall an sich zu ziehen. Man habe das Geschehen aber im Blick und stehe in engem Kontakt mit den hessischen Strafverfolgungsbehörden, sagte ein Sprecher der Karlsruher Behörde auf Anfrage.
Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur war der 32-Jährige, der seit 2015 in Deutschland lebt und seit 2016 einen subsidiären, also eingeschränkten Schutzstatus hat, bisher mit Drogendelikten und Gewaltkriminalität aufgefallen. Es lägen noch keine gesicherten Erkenntnisse dazu vor, ob der Mann vor der kurzen Fahrt mit dem Sattelzug in Limburg Drogen oder Alkohol konsumiert hatte, sagte der Sprecher der Frankfurter Generalstaatsanwaltschaft.
Dabei wurden neben dem Täter acht Menschen leicht verletzt.
Der Lkw-Vorfall von Limburg ruft Erinnerungen an den grossen Terroranschlag in Berlin vor knapp drei Jahren wach - aber auch an den Amoklauf von Münster.
In Berlin war der Tunesier Anis Amri am 19. Dezember 2016 mit einem gekaperten Lastwagen auf den Weihnachtsmarkt an der Gedächtniskirche gerast, zwölf Menschen wurden damals getötet. Im Sommer 2016 waren in Nizza sogar 86 Menschen bei einer Lkw-Attacke auf der Uferpromenade gestorben.
Keinen Terror-Hintergrund hatte hingegen die Gewalttat in Münster: Dort tötete im April 2018 ein Amokfahrer in der Innenstadt vier Menschen, verletzte mehr als 20 teilweise lebensgefährlich und erschoss sich anschliessend. Der Mann galt als psychisch labil.
Nach dpa-Informationen besass der Syrer eine Aufenthaltserlaubnis, die am 1. Oktober abgelaufen war. Ob er sich bei der zuständigen Behörde bereits um Verlängerung gekümmert hatte, war zunächst nicht bekannt. Angaben soll der 1987 geborene Syrer noch keine gemacht haben.
Ende August war der 32-Jährige im nordrhein-westfälischen Moers bei der Polizei wegen eines Körperverletzungsdeliktes auffällig geworden. Nach dpa-Informationen hatte der Syrer am 31. August auf einer Kirmes eine 16-Jährige belästigt, es kam zu einem Gerangel mit der Mutter des Mädchens. Der 32-Jährige bekam daher eine Anzeige wegen Körperverletzung. Zunächst hatte bild.de über diese Ermittlungen berichtet.
Zu dem Vorfall in Limburg hiess es in Sicherheitskreisen, für ein terroristisches Motiv gebe es bislang keine Hinweise. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) sagte am Vormittag in Luxemburg auf die Frage nach möglichen Hinweisen auf einen Terroranschlag: «Da wird ermittelt, und ich kann Ihnen zur Stunde noch nicht sagen, wie diese Tat zu qualifizieren ist.»
«Meine letzte Information ist die, dass nach dem momentanen Stand es keine Anhaltspunkte gibt für einen terroristischen Hindergrund», ergänzte Seehofer am späten Nachmittag. «Ich sage ausdrücklich: nach dem momentanen Stand. Trotzdem bleibt es eine grausame Sache, wo ich nur den Verletzten wünschen kann, dass sie genesen. Wir bleiben aber natürlich dahinter und leuchten das ganze Umfeld aus.»
In der Nacht zum Dienstag durchsuchte die Polizei nach Angaben der Ermittler die Wohnung des Verdächtigen im südhessischen Langen - rund 80 Kilometer von Limburg entfernt. An der Aktion war laut Polizeipräsidium Südosthessen ein Spezialeinsatzkommando beteiligt.
Eine weitere Wohnung eines Angehörigen der Familie des Verdächtigen wurde laut Generalstaatsanwaltschaft im Kreis Limburg-Weilburg durchsucht - wo genau, wollte die Behörde nicht sagen. Es seien unter anderem Mobiltelefone und USB-Sticks sichergestellt worden. Bei dem Familienangehörigen soll es sich Ermittlerkreisen zufolge um den Cousin des 32-Jährigen handeln. Der Beschuldigte habe sich nach derzeitigem Stand vor der Tat beim Familienangehörigen aufgehalten, dieser sei wiederum am Montag ebenfalls in Tatortnähe gewesen.
Der Täter hatte den eigentlichen Fahrer des Lastwagens laut Generalstaatsanwaltschaft gewaltsam aus der Fahrerkabine gezogen. Dann fuhr er mit dem Laster wenige Meter, bis er nahe einer Kreuzung ungebremst auf vor ihm stehende Fahrzeuge auffuhr. Sieben Pkw und ein Kleintransporter wurden zusammengeschoben. Bundespolizisten, die zufällig in ihrer Freizeit in der Nähe waren, nahmen den Syrer fest.
Die «Frankfurter Neue Presse» hatte den eigentlichen Fahrer des Lasters am Montagabend so zitiert: «Mich hat ein Mann aus meinem Lkw gezerrt.» Als er vor einer roten Ampel wartete, habe der Unbekannte die Fahrertür des Lasters aufgerissen und ihn mit weit geöffneten Augen angestarrt, so der Fahrer. «Was willst Du von mir?», habe er den Mann gefragt. «Aber er hat kein Wort geredet. Ich habe ihn noch mal gefragt. Dann hat er mich aus dem Lkw gezerrt», heisst es weiter.
Der Zeitung zufolge soll der Tatverdächtige, der bei der Kollision am Steuer sass, von Passanten erstversorgt worden sein. Dabei habe er laut den Passanten mehrmals «Allah» gesagt haben, sagte ein Reporter.
Das Logistikunternehmen Pfenning aus Baden-Württemberg, dem der Lkw gehört, teilte auf seiner Homepage mit, der Laster sei auf einer Auslieferungstour gewesen. «Unserem Fahrer geht es den Umständen entsprechend», hiess es weiter in der Mitteilung. Der Bürgermeister von Limburg, Marius Hahn, sagte dpa: «Ich bin geschockt und in meinen Gedanken bei den Verletzten und deren Familien.» Hundertprozentige Sicherheit gebe es nie. Und: «Gegen Einzeltäter ist niemand gefeit.»