Medizin-Nobelpreis an zwei Amerikaner und einen Briten

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Schweden,

Ohne Sauerstoff gäbe es auf der Erde kein Leben. Trotz der fundamentalen Bedeutung des Elements war lange Zeit unklar, wie Zellen auf den Stoff reagieren. Die langjährigen Arbeiten dreier Forscher haben das geändert - die Mühe hat sich gelohnt.

Das Nobelkomitee in Stockholm präsentiert die Medizin-Nobelpreisträger: Gregg Semenza (auf Leinwand l-r), Peter Ratcliffe und William Kaelin. Foto: Zheng Huansong/XinHua/dpa
Das Nobelkomitee in Stockholm präsentiert die Medizin-Nobelpreisträger: Gregg Semenza (auf Leinwand l-r), Peter Ratcliffe und William Kaelin. Foto: Zheng Huansong/XinHua/dpa - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Berlin (dpa) - Für die Entdeckung der Mechanismen, mit denen Zellen sich vor den Folgen eines Sauerstoffmangels schützen, erhalten zwei US-Amerikaner und ein Brite den diesjährigen Medizin-Nobelpreis.

Die drei Forscher entdeckten und sich daran anpassen, wie das Karolinska-Institut am Montag in Stockholm mitteilte.

Gregg Semenza (USA), William Kaelin (USA) und Peter Ratcliffe (Grossbritannien) hätten mit ihren Arbeiten gezeigt, wie Zellen den Sauerstoffgehalt in ihrer Umgebung wahrnehmen und sich daran anpassen, teilte das Karolinska-Institut am Montag in Stockholm mit.

Ihre Arbeiten hätten die Grundlagen gelegt für die Entwicklung neuer Strategien zur Bekämpfung von Blutarmut, Krebs und vielen anderen Erkrankungen, hiess es von der Nobeljury. Der Sauerstoffgehalt in der Umgebung beeinflusst in bestimmten Fällen das Wachstum der Zellen in einem Tumor und dessen Versorgung. Daher gelten die zugrundeliegenden Mechanismen als mögliche Ansatzpunkte für Krebstherapien.

Dies eröffne neue Ansatzpunkte für die Entwicklung von Therapien gegen Blutarmut, Krebs und zahlreiche andere Erkrankungen, bei denen die Sauerstoffkonzentration im Blut eine Rolle spielt.

Alle Tiere benötigen Sauerstoff, um aufgenommene Nahrung im Inneren der Zellen in lebenserhaltende Energie umzuwandeln. Verändert sich der Sauerstoffgehalt, verändert sich die Aktivität zahlreicher Gene und damit letztlich der Stoffwechsel.

Ohne Sauerstoff gäbe es auf der Erde kein Leben. Tiere und auch der Mensch benötigen Sauerstoff, um aufgenommene Nahrung in den Zellen in lebenserhaltende Energie umzuwandeln. Allerdings kann sich die Menge des dort verfügbaren Sauerstoffs ändern - etwa wenn die Muskeln bei körperlicher Anstrengung viel Sauerstoff benötigen. Auf diese Änderungen müssen die Zellen reagieren.

vom Johns Hopkins Institute for Cell Engineering in Baltimore identifizierte in den frühen 1990er Jahren ein Protein, das diese sauerstoffabhängigen Reaktionen reguliert. 1995 konnte der 1956 in New York geborene Biologe das Protein gewinnen und weiter erforschen. Der Name des Faktors: HIF (Hypoxia Inducible Factor).

Wie das gelingt, sei bis zu den wegweisenden Arbeiten der drei Forscher unklar gewesen, heisst es in der Begründung des Nobelkomitees. «Dieser Nobelpreis ist tatsächlich ein ganz fantastischer Nobelpreis, », sagte Hellmut Augustin vom Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg. Die höchste Auszeichnung für Mediziner ist in diesem Jahr mit umgerechnet 830.000 Euro (9 Millionen Schwedischen Kronen) dotiert.

Der Mediziner von der Harvard Medical School in Boston, geboren 1957 in New York, untersuchte eine Krebserkrankung, die auf einem fehlerhaften Protein beruht. Die Aktivität dieses VHL genannten Proteins ist abhängig vom Sauerstoffgehalt. Der Brite , 1954 in Lancashire geboren, fand 1999 schliesslich heraus, dass es einen Zusammenhang zwischen beiden Proteinen - HIF und VHL - gibt.

vom Johns Hopkins Institute for Cell Engineering in Baltimore fand in den frühen 1990er Jahren heraus, dass ein bestimmter Proteinkomplex wesentlich an der Reaktion auf Sauerstoffarmut beteiligt ist. Der Name des Faktors: HIF (Hypoxia Inducible Factor). Der 1956 in New York geborene Biologe zeigte, dass ein Bestandteil des Komplexes, HIF-1alpha genannt, bei niedrigem Sauerstoffgehalt das Erythropoietin-Gen aktiviert. Dies führt zu einer besseren Versorgung der Zellen mit Sauerstoff - wirkt also dem Sauerstoffmangel entgegen.

Im Jahr 2016 hatten Kaelin, Ratcliffe und Semenza bereits den renommierten Lasker-Award bekommen. Als «ein wunderschönes System» hatte Gregg Semenza damals den Mechanismus der Sauerstoffwahrnehmung in einem Video bezeichnet. Sauerstoff sei die Substanz, von der man am meisten konsumiere und ohne die man am kürzesten überlebe.

Als «ein wunderschönes System» hatte Gregg Semenza diesen Mechanismus bezeichnet, als er 2016, ebenfalls gemeinsam mit und , den renommierten Lasker-Award bekam. Der Brite Ratcliffe von der Oxford University, 1954 in Lancashire geboren, erweiterte das Wissen um die Funktion des HIF-1alpha-Proteins. Er und Semenza zeigten, dass nicht nur EPO, sondern bis zu 300 weitere Gene davon reguliert werden und dass der Mechanismus in nahezu allen Zellen vorhanden ist.

Das Karolinska-Institut hatte zunächst Schwierigkeiten, einen der Nobelpreisträger zu erreichen: Man habe von Kaelin erst keine Nummer gehabt, sagte Thomas Perlmann von der Nobelversammlung des Instituts. Daher sei seine Schwester angerufen worden, die zwei Nummern herausgegeben habe. Bei der zweiten sei das Überbringen der Nachricht geglückt. «Er war sehr froh, fast sprachlos», so Perlmann über Kaelins Reaktion.

Bei normalem Sauerstoff-Gehalt wird HIF-1alpha schnell im Körper abgebaut. Bei der Klärung der Frage, wie das genau geschieht, spielten die Forschungen des Mediziners Kaelin von der Harvard Medical School in Boston, geboren 1957 in New York, eine wichtige Rolle. Er hatte eine Krebserkrankung, das Hippel-Lindau-Syndrom, untersucht. Dabei ist ein Gen verändert, wodurch der Abbau von HIF-1alpha gestört wird. Die Zelle empfindet einen Sauerstoffmangel, obwohl keiner vorliegt. Die daraufhin eingeleiteten Gegenmassnahmen, etwa das Wachstum neuer Gefässe für eine bessere Sauerstoffversorgung, führen zu den typischen Kennzeichen der Krebserkrankung.

Die höchste Auszeichnung für Mediziner ist in diesem Jahr mit umgerechnet 830.000 Euro (9 Millionen Schwedischen Kronen) dotiert. Im vergangenem Jahr hatten der US-Amerikaner James Allison und der Japaner Tasuku Honjo den Preis für die Entwicklung von Immuntherapien gegen Krebs erhalten. In den kommenden zwei Tagen werden die Nobelpreise für Physik und Chemie zuerkannt.

Die Aufklärung dieser Grundlagen könnten neue Krebstherapien ermöglichen, hoffen Experten. «Dieses System machen sich viele Tumore zu eigen, um auf aggressivere Art und Weise zu wachsen», erläuterte Olle Kämpe, Mitglied der Nobelversammlung des Karolinska-Instituts in Stockholm. «Viele Krebsformen tun das, besonders Nierenkrebs.»

«Wenn der Tumor immer grösser wird, dann bekommen die inneren Teile des Tumors immer weniger Sauerstoff. Hier spielt die Hypoxie eine wichtige Rolle», erläuterte Soni Savai Pullamsetti vom Max-Planck-Institut für Herz- und Lungenforschung im hessischen Bad Nauheim. «Deshalb ist die Forschung zur Sauerstoffregulierung wirklich wegweisend.»

Auch Hans Lehrach vom Max-Planck-Institut für molekulare Genetik in Berlin sieht künftige Anwendungsmöglichkeiten in der Krebstherapie. «Ein besseres Verständnis der Prozesse führt dazu, dass wir vielleicht in diesen Teil der Tumorgenese eingreifen können und dann Medikamente entwickeln können. Nach Angaben des Verbandes forschender Arzneimittelhersteller (vfa) werden entsprechende Arzneimittel bereits in kleinem Massstab erprobt.

Weitere Anwendungsmöglichkeiten ergeben sich demnach etwa für die Behandlung von Blutarmut. Hier können Präparate helfen, die den Abbau von HIF-1alpha verhindern. Der Körper reagiert auf die vermeintliche Sauerstoffarmut dann mit Gegenmassnahmen für eine bessere Sauerstoffversorgung.

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