Mit Abstand und Maske - Fridays for Future trotzt Pandemie
Das erste Mal seit sechs Monaten demonstrieren heute wieder «Fridays for Future»-Aktivisten. Allein in Deutschland wurden 450 Veranstaltungen registriert.
Das Wichtigste in Kürze
- Erstmals seit sechs Monaten demonstrieren heute «Fridays for Future»-Aktivisten.
- Die Hygiene- und Abstandsregeln schränken die Versammlungen jedoch ein.
Berlin und Kiew, Stockholm und Seoul, Sydney und Edinburgh: Wenn die Klimaschutz-Bewegung Fridays for Future zum Protest aufruft, gehen Menschen rund um den Globus auf die Strasse.
Inmitten der Corona-Krise demonstrierten die Aktivisten am Freitag erstmals seit Monaten wieder im grossen Stil - weil auch während der Pandemie die Erderhitzung keine Pause macht, wie sie sagten.
In Berlin und vielen anderen deutschen Städten schränkten nicht nur die Hygiene- und Abstandsregeln die Versammlungen ein, auch der Regen machte den oft jungen Demonstranten zu schaffen. «Das Wetter ist besser als die Klimapolitik der Bundesregierung!», schrieb Fridays for Future Aachen launig auf Twitter. Berichte über grössere Verstösse gegen Corona-Auflagen oder aufgelöste Demos gab es zunächst nicht. Ein Protestcamp in Aachen durfte nach kurzem Ärger doch stehenbleiben.
In der Pandemie ist nicht nur die Klimapolitik teils von der Agenda der Politik gerutscht, auch um Greta Thunberg und ihre Mitstreiter war es etwas ruhiger geworden. Deutschlands bekannteste Aktivistin Luisa Neubauer zeigte sich zufrieden, als sie am Brandenburger Tor in Berlin sprach: «Wir sind da, aber sowas von.» Von Resignation könne keine Rede sein. «Sie wollen uns von der Strasse haben. Das bekommen sie nicht! Denn wir alle sind ein Grund zur Hoffnung. Macht euch gefasst: Wir kommen!»
Was die Teilnehmerzahlen anging, gab es wie häufig grössere Unterschiede zwischen Angaben der Veranstalter und der Polizei - es dürften deutschlandweit aber mehrere Zehntausend gewesen sein. Registriert waren mehr als 450 Veranstaltungen.
Weltweit forderten die Demonstranten, den Ausstieg aus der Nutzung von Kohle und Öl zu beschleunigen, um die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen - dafür wäre aus Sicht von Wissenschaftlern ein radikales Umsteuern zwingend notwendig. In Deutschland ist nach Daten des Deutschen Wetterdienstes das aktuelle Jahrzehnt rund 1,9 Grad wärmer als die ersten Jahrzehnte der Aufzeichnungen ab 1881. Weltweit wird der Anstieg der Temperatur mit 1,1 Grad beziffert. Schmelzende Eismassen, steigende Meeresspiegel und ein höheres Risiko für Hitzewellen, Dürren und andere Extremwetter sind die Folge.
Rund um die Erde waren einer Auflistung von Fridays for Future zufolge mehr als 3200 «Klimastreiks» angekündigt. Zeitzonenbedingt machten Klimafreunde in Australien den Anfang: Im Rahmen von mehr als 500 geplanten Aktionen in nahezu allen Landesteilen gingen überwiegend junge Australier und ihre Unterstützer auf die Strasse. Aktivisten in Brisbane legten den riesigen Schriftzug «Fund our Future!» (Finanziert unsere Zukunft!) in einem Park aus.
An die grossen Menschenmassen der globalen Klimaproteste des Vorjahres - damals waren weltweit Hunderttausende bis Millionen Menschen auf den Strassen unterwegs - reichten die Teilnehmerzahlen wegen der Corona-Beschränkungen aber bei Weitem nicht heran. Viele Aktivisten wichen angesichts der Pandemie mit teils kreativen Aktionen ins Netz aus: In Japan etwa, wo über 70 Klimastreiks stattfinden sollten, stellten Menschen Fotos ihrer Schuhe und Protestschilder online.
Die inzwischen weltberühmte Aktivistin Greta Thunberg postierte sich mit einigen weiteren Demonstranten vor dem Reichstag in Stockholm, um in der 110. Woche ihres berühmt gewordenen «Schulstreiks fürs Klima» abermals für mehr Klimaschutz einzustehen. Dabei trug sie einen Mund-Nasen-Schutz mit dem Emblem von Fridays for Future und hielt deutlich Abstand zu ihren Mitstreitern.
Auf dem afrikanischen Kontinent, wo die Menschen bereits heute besonders unter den Folgen des Klimawandels leiden, gab es in zahlreichen Ländern kleinere Proteste, etwa in Südafrika und Kenia. «Wir fordern unsere Anführer dazu auf, aufzuwachen», sagte die ugandische Aktivistin Vanessa Nakate, die bekannteste Klimaschützerin Afrikas, der Deutschen Presse-Agentur. «Wir wollen in einer besseren Welt leben.» Auch auf Mauritius wurde demonstriert - in dem Urlaubsparadies war es vor einigen Wochen zu einer Ölkatastrophe gekommen, nachdem ein Frachter auf einem Riff auf Grund gelaufen war.
Auch aus dem sogenannten ewigen Eis, das durch den Temperaturanstieg bedroht ist, kam Unterstützung: Forscher in der Arktis und Antarktis demonstrierten ebenfalls, wie Bilder zeigten, die Mitarbeiter des Alfred-Wegener-Instituts in Bremerhaven veröffentlichten. Was in der Arktis passiere, beeinflusse auch das Wetter und Klima vor Ort in Deutschland, mahnten sie.