Muqtada as-Sadr: Wahlsieg zeichnet sich im Irak ab
Laut ersten Ergebnissen der Parlamentswahlen im Irak ist die Bewegung des schiitischen Geistlichen Muqtada as-Sadr die stärkste Kraft.
Das Wichtigste in Kürze
- Die ersten Ergebnisse zu den Parlamentswahlen im Irak sind erschienen.
- Darin zeigt sich die Bewegung von Muqtada as-Sadr als stärkste Kraft.
Der schiitische Geistliche Muqtada as-Sadr ist eine kontroverse Figur. Früher bekämpfte seine Miliz US-Truppen, heute gibt er sich als Reformer. Das nehmen ihm viele Menschen im Irak aber nicht ab.
Anhänger feierten den Wahlsieg auf den Strassen von Bagdad
As-Sadr wird mit seiner Strömung im irakischen Parlament ersten Ergebnissen zufolge stärkste Kraft. Seine Anhänger feierten den Wahlsieg in der Nacht zu Dienstag auf den Strassen.
Zahlreiche Menschen fuhren in Autokorsos mit Hupkonzerten durch die Hauptstadt Bagdad, viele von ihnen schwenkten Irak-Fahnen. Nach vorläufigen Ergebnissen der Wahlkommission erreichte as-Sadrs Strömung bei der Parlamentswahl am Sonntag die meisten Stimmen für das Abgeordnetenhaus. As-Sadr beanspruchte den Sieg am Montagabend für sich. In Bagdad feierten Anhänger des Predigers auf den Strassen.
In einer Fernsehansprache warnte As-Sadr andere Staaten, sich in die Regierungsbildung einzumischen. Zugleich sagte er der Korruption den Kampf an.
Muqtada as-Sadr seit 2018 stärkste Kraft
As-Sadrs Strömung war bereits bei der Parlamentswahl 2018 stärkste Kraft geworden. Deutliche Einbussen muss nach den vorläufigen Ergebnissen die damals zweitplatzierte Fatah-Koalition hinnehmen. Sie ist mit den schiitischen Milizen verbunden und wird vom Iran unterstützt. Fatah könnte mehr als die Hälfte ihrer Sitze verlieren.
Ministerpräsident Mustafa al-Kasimi hatte die Abstimmung nach Massenprotesten gegen die politische Führung des Landes um mehrere Monate vorgezogen. Die im Oktober 2019 ausgebrochenen Demonstrationen richteten sich unter anderem gegen die Korruption, die schwache Wirtschaftslage und die schlechte Infrastruktur. In dem Land sind Zellen der IS-Terrormiliz weiter aktiv. Die Extremisten hatten 2014 grosse Gebiete im Norden und Westen des Landes überrannt.
Misstrauen gegenüber as-Sadrs Bewegung
As-Sadrs Bewegung warb im Wahlkampf für Reformen. Sie ist jedoch Teil der politischen Elite, die viele Iraker für die Missstände im Land verantwortlich machen.
Das Misstrauen in die Politik zeigte sich auch bei der Wahlbeteiligung. Diese sank bei der Abstimmung auf ein Rekordtief von rund 41 Prozent. Beobachter sahen darin ein deutliches Zeichen für den Frust vieler Iraker über die politischen Zustände.
Anhänger der Protestbewegung hatten zum Boykott der Wahl aufgerufen. Sie erwarten innerhalb des bestehenden politischen Systems keine Änderung der Machtverhältnisse. Das heutige System war nach dem Sturz von Langzeitherrscher Saddam Hussein 2003 errichtet worden.
Muqtada as-Sadr als kontroverse Figur
Muqtada as-Sadr kandidierte nicht selbst, hatte vor der Wahl aber Anspruch auf das Amt des Regierungschefs erhoben. Das Amt soll von einem Mitglied seiner Bewegung besetzt werden. Ob er das durchsetzen kann, ist unklar. Für eine Mehrheit im Parlament braucht er Bündnispartner.
Auch die USA und der Iran haben Einfluss auf die Regierungsbildung. Regierungschef Al-Kasimi werden als Kompromisskandidat Chancen auf eine weitere Amtsperiode eingeräumt. Er geniesst im Westen hohes Ansehen, trat bei der Wahl aber selbst nicht an und verfügt deswegen über keine Hausmacht.
Der 47 Jahre alte Muqtada as-Sadr gilt als kontroverse Figur. Nach Saddam Husseins Sturz bekämpfte seine Mahdi-Armee die US-Truppen. Heute gibt er sich gemässigter und tritt in einer Mischung aus Nationalist und Populist auf.
Seine Anhänger leben vor allem in den ärmeren Vierteln Bagdads und anderer Städte. Der Wahlsieg ist auch auf as-Sadrs Fähigkeit zurückzuführen, sie mobilisieren zu können.
Irak unter Druck
Die Abstimmung verlief insgesamt ruhig. Nach Angaben der Militärführung waren mehr als 250.000 Sicherheitskräfte im Einsatz, um Zwischenfälle zu verhindern. Insgesamt waren rund 25 Millionen Menschen zur Wahl aufgerufen.
Auch wirtschaftlich ist das Land unter Druck. Der Irak hängt stark vom Öl ab und hat unter den niedrigen Ölpreisen während der Corona-Pandemie gelitten. Vor allem junge Iraker klagen über Arbeitslosigkeit und mangelnde Chancen auf ein besseres Leben.